Darf ich meinen wissenschaftlichen Beitrag im Internet anbieten?

Manfred Büchele, Lars Kerbler

 

Zweitverwertung

Mit der Urheberrechts-Novelle 2015 wurde ein Zweitverwertungsrecht in das Urheberrechtsgesetz („UrhG“) aufgenommen. Es gestattet Urhebern, ihre wissenschaftlichen Beiträge unter bestimmten Voraussetzungen im Internet zur Verfügung zu stellen.

Das Zweitverwertungsrecht befreit wissenschaftliche Beiträge von vertraglich eingeräumten ausschließlichen Nutzungsrechten1, die sich in der Regel aus Verlagsverträgen ergeben. Der vertragliche Verzicht auf die Zweitverwertung ist nämlich ungültig.

Konkret gestattet das Zweitverwertungsrecht, gedruckte wissenschaftliche Beiträge nach Ablauf von zwölf Monaten ab Erstveröffentlichung in der akzeptierten Manuskriptversion im Internet2 zur Verfügung zu stellen. Dabei muss die Quelle der Erstveröffentlichung angegeben werden.

Diese Zweitverwertung darf nicht zum gewerblichen Zweck erfolgen, sie darf also nicht auf das Erzielen von Einnahmen gerichtet sein. Sie dient nämlich dem erleichterten Zugang zu wissenschaftlicher Fachliteratur im Sinne des Open Access.3 Diesem Gedanken folgen auch die institutionellen Repositorien, die zur Zweitverwertung wissenschaftlicher Publikationen u.a. an der Universität Innsbruck eingerichtet worden sind.

Liegt Miturheberschaft vor, ist zur Zweitverwertung die Zustimmung aller Miturheber4 einzuholen.5

Voraussetzungen zur Zweitverwertung wissenschaftlicher Beiträge

Nicht jeder wissenschaftliche Beitrag darf im Rahmen des Zweitverwertungsrechts im Internet angeboten werden.

Der zweitverwertende Urheber muss, um vom Zweitverwertungsrecht Gebrauch machen zu können,

  • Angehöriger des wissenschaftlichen Personals
  • einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanzierten Forschungseinrichtung6 sein, und
  • den Beitrag im Rahmen dieser Tätigkeit geschaffen haben.

Es genügt dass derjenige, der den Beitrag zweitverwertet, die Kriterien erfüllt; die Nichterfüllung der Kriterien durch Miturheber schadet ihm nicht.7

Außerdem erfasst das Zweitverwertungsrecht nur wissenschaftliche Beiträge, die

  • in einer periodischen, mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlung8 erschienen sind, und
  • jeweils nur die Manuskriptversion, also die Fassung nach Peer Review inklusive Seitenzahlen zur korrekten Zitierbarkeit,9 nicht aber das Layout des Artikels und etwaige (Zusatz‑)Leistungen des Verlags, wie Grafiken oder Lichtbilder.

Solche periodischen Printpublikationen sind insbesondere wissenschaftliche Zeitschriften, nicht aber Sammel- und Tagungsbände, Fest-10 oder Gedenkschriften, Lehrbücher etc.

Beispiel
Eine Gruppe von Biologen einer österreichischen Universität publiziert einen wissenschaftlichen Beitrag in einer inländischen Fachzeitschrift. Als Miturheber des Beitrags sind auch Studierende genannt, die einen wesentlichen Teil der Laborarbeit geleistet haben. Diese Studierenden können das Zweitverwertungsrecht nicht für sich beanspruchen, da sie keine Angehörigen des wissenschaftlichen Personals der Universität sind. Die als Urheber beteiligten wissenschaftlichen Mitarbeiter der Universität dürfen den Beitrag nach 12 Monaten zweitverwerten.

Internationale Aspekte

Das Zweitverwertungsrecht des österreichischen Urheberrechts ist insbesondere dann ausschlaggebend, wenn ein Verlagsvertrag keine internationale Dimension besitzt. Das ist im Wesentlichen dann der Fall, wenn sowohl sämtliche (Mit‑)Urheber als auch der Verleger in Österreich tätig sind, und die entsprechende Sammlung im Inland erscheint11.

Grenzüberschreitende Verlagsverträge sind stets auch auf etwaige Rechtswahl- und Gerichtsstandsvereinbarungen zu prüfen. Solche Vereinbarungen legen das Recht eines Staates für den Vertrag zu Grunde, und klären den gerichtlichen Austragungsort etwaiger Streitigkeiten. Wurden solche Regelungen nicht getroffen, so sind anwendbares Recht und zuständiges Gericht gesondert zu ermitteln.

Die Möglichkeit zur Zweitverwertung kann dadurch auch vollständig entfallen.

Beispiel
Eine internationale Kooperation von Forschern aus unterschiedlichen Staaten, denen auch eine österreichische Arbeitsgruppe angehört, publiziert in einer US-amerikanischen wissenschaftlichen Zeitschrift. Der Verlagsvertrag, den sämtliche Co-Autoren mit dem Verleger schließen, sieht vor, dass Streitigkeiten aus dem Vertrag vor Gerichten in den Vereinigten Staaten auszutragen sind, und außerdem das Recht der Vereinigten Staaten anwendbar ist. Das Zweitverwertungsrecht ist für die österreichische Arbeitsgruppe damit nicht relevant.

Fußnoten

  1. Siehe Kann ich mein Urheberrecht übertragen?
  2. Bruch/Pflüger, Das Zweitveröffentlichungsrecht des § 38 Abs. 4 UrhG, ZUM 2014, 389 (393).
  3. ErlRV 687 BlgNR XXV. GP, 4.
  4. Zur Urheberschaft mehrerer siehe: Können zwei oder mehrere Personen gemeinsam Urheber sein?
  5. Ciresa in Ciresa/Büchele/Guggenbichler/Thiele, Österreichisches Urheberrecht18 (2015) § 37a Rz 10.
  6. Mindestens zur Hälfte öffentlich gefördert sind jedenfalls öffentliche Hochschulen; auch bei privaten Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ist das denkbar. Vgl Ciresa in Ciresa/Büchele/Guggenbichler/Thiele, Österreichisches Urheberrecht18 (2015) § 37a Rz 9.
  7. Wiebe, UrhG-Nov 2015 – eine kritische Durchsicht, MR 2015, 239 (244).
  8. I.d.R. wissenschaftliche Zeitschriften. Fortlaufende, nicht gesammelt publizierte elektronische Beiträge sind nicht vom Zweitverwertungsrecht umfasst, vgl. Ciresa in Ciresa/Büchele/Guggenbichler/Thiele, Österreichisches Urheberrecht18 (2015) § 37a Rz 11.
  9. Auch Randziffern, Markierungen der Seitenumbrüche etc.; Vgl. Wandke/Grunert in Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar Urheberrecht4 (2014) § 38 Rz 23.
  10. Ciresa in Ciresa/Büchele/Guggenbichler/Thiele, Österreichisches Urheberrecht18 (2015) § 37a Rz 11.
  11. Siehe Welche Folgen hat die Bekanntmachung eines Werks?