Freie Werknutzung – Berichterstattung über Tagesereignisse

Guido Donath, Emelie Durnes

 

§ 42 c UrhG statuiert, dass Werke zur Berichterstattung über Tagesereignisse, die bei Vorgängen, über die berichtet wird, öffentlich wahrnehmbar werden, in einem durch den Informationszweck gerechtfertigten Umfang vervielfältigt, verbreitet, durch Rundfunk gesendet, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und zu öffentlichen Vorträgen, Aufführungen und Vorführungen benutzt werden dürfen.

Diese Bestimmung stellt eine Brücke zwischen urheberrechtlichen Ausschlussrechten und dem Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit, sowie einem allenfalls beeinträchtigten Persönlichkeitsrecht und dem Hausrecht dar. Laut ständiger Judikatur des OGH liegt nämlich gerade in der kritischen Berichterstattung die wesentliche Funktion der Presse in einer demokratischen Gesellschaft.

Tatbestandsmäßig erforderlich ist die öffentliche Wahrnehmbarkeit von Vorgängen, über die berichtet wird. Ob diese zulässig ist, richtet sich nach Judikatur des OGH nach den Umständen des Einzelfalls Die Berichterstattung darf jedoch nur in einem „durch den Informationszweck gerechtfertigten Umfang erfolgen“. Seitens des Gesetzgebers nicht intendiert, ist ein Freibrief zur willkürlichen „freien“ Illustration von Berichten.

Ein Tagesereignis wird definiert als tatsächliches Ereignis, das wegen seiner Aktualität Interesse findet. Ein Werk darf nicht allein Gegenstand des Tagesereignisses sein, sondern es darf lediglich bei einem anderen Ereignis in Erscheinung treten. Dabei ist es irrelevant, ob es sich um ein ganzes Werk handelt oder Werkteile – in jedem Fall muss es öffentlich wahrnehmbar sein, nicht etwa nicht wahrnehmbar oder sogar geheim gehalten Es lässt sich jedoch aus der Freiheit zur Tagesberichterstattung kein Recht ableiten, gegen den Willen des Veranstalters an einer Veranstaltung teilzunehmen. Umfasst sind daher beispielsweise Sportveranstaltungen, kulturelle oder politische Ereignisse, wie Wahlkämpfe. Jedoch auch nicht in vollem Umfang, denn eine vollständige Übertragung eines Tagesereignisses ist schon begrifflich keine Berichterstattung

Beispiele für Tagesereignisse sind:

  • Der Verkauf eines Aktienpakets
  • Die Operettenwochen in Bad Ischl
  • Buchpräsentationen oder Sportveranstaltungen

Auch der Zeitpunkt ist zu berücksichtigen: Die tatsächliche Begebenheit muss entweder gleichzeitig mit der Berichterstattung stattfinden oder kurz vorher stattgefunden haben. Die Öffentlichkeit muss ein Informationsinteresse am Tagesereignis haben. Ankündigungen künftiger Entwicklungen oder Ereignisse im Sinne einer „Vorausberichterstattung“ werden nicht als Tagesereignis angesehen. Gefordert wird daher ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Ereignis und Berichterstattung, der z.B. bei der Bereithaltung von Berichten in online-Archiven u.U. nicht mehr vorliegt.

Beispiel:
Mehrere Zeitungen publizierten ein Kinderfoto von Natascha K., die nach langjährigem Verschwinden wiederauftauchte, um den Bericht über die Umstände ihres Verschwindens zu untermalen. Das Foto wurde ca. 10 Jahre vorher von einer Fotografin aufgenommen, und zwar in jenem Hort, in dem Natascha K. betreut worden war. Der OGH urteilte, dass das Veröffentlichen des Bildes für eine klare und verständliche Berichterstattung über das Tagesereignis des Wiederauftauchens keineswegs erforderlich war und die Veröffentlichung daher auch vom Zweck der
Information über dieses Tagesereignis nicht erfasst ist. Vielmehr handelt es sich um eine Illustrierung der Berichterstattung, um so die Aufmerksamkeit der Leser auf den Bericht zu lenken.

Auch relevant scheint, dass es sich bei der Berichterstattung um eine tatsächliche Informationserteilung handeln muss, ein Kommentar, der allein die persönliche Meinung des Autors wiedergibt, kann eine Berichterstattung sein, wenn das Schwergewicht des Berichts in der Informationsvermittlung liegt. Es muss sich um eine „wirklichkeitsgetreue Schilderung einer tatsächlichen Begebenheit“ handeln. Nicht umfasst ist die Verwertung von Lichtbildern, die (selbst) Tagesereignisse zeigen oder damit in Zusammenhang stehen. „Die Analyse der Berichterstattung eines Konkurrenzmediums ist keine Berichterstattung über ein Tagesereignis.“

Beispiel:
So veröffentlichte die Zeitschrift „profil“ beispielsweise ein Pressefoto, das den verstorbenen Kärntner Landeshauptmann Dr. Haider mit zwei Kindern zeigt (aufgenommen bei einer Veranstaltung anlässlich eines Besuchs des Bundespräsidenten in Kärnten). Darunter fand sich der Text „Es muss Schluss gemacht werden mit dem Alkoholausschank an Jugendliche. Die saufen doch den Kindern alles weg! Otto Waalkes“ und die Botschaft „Wie viel Profil hat Ihre Meinung?“. Der OGH entschied, dass das Lichtbild nicht im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Besuch des Bundespräsidenten in Kärnten veröffentlicht wurde, sondern im Zusammenhang mit einer Eigenwerbung. Das Ereignis selbst gehe aus dem Bildausschnitt gar nicht hervor – im Vordergrund stehe der kommerzielle Zweck der Eigenwerbung, weshalb die vorliegende Veröffentlichung als unzulässig beurteilt wurde.

Um Welche Werke es sich handelt, spielt keine Rolle. Umfasst sind Lichtbilder, Schallträger, Rundfunksendungen. Irrelevant ist auch, ob es sich um ein online- oder print-Medium handelt, eine Aufzeichnung erfolgt oder eine Live-Übertragung. Urheberpersönlichkeitsrechte sind auch im Zuge der Berichterstattung über Tagesereignisse zu beachten.

Case Study
Berichterstattung über Tagesereignisse

Eine Journalistin ist immer an den neusten Informationen und Geschehnissen interessiert. Vor allem aber ist sie auch politisch interessiert und engagiert. Als sie von einer Pressekonferenz des Landeshauptmanns erfährt, schafft sie es gerade noch so. Nach der Pressekonferenz tippt sie das aufgenommene Material schnell ab und sieht ihre Fotos durch. Noch in derselben Stunde veröffentlicht sie einen Artikel über die informationsreiche Pressekonferenz mitsamt einem Foto, das den Landeshauptmann mit einem Plakat mit einem Foto im Hintergrund zeigt.

Die freie Werknutzung der Berichterstattung über Tagesereignisse soll sicherstellen, dass über aktuelle (hier ist auf den Zeitpunkt des Ereignisses abzustellen) Ereignisse berichtet werden kann, ohne auf geschützte Werke Rücksicht nehmen zu müssen. Sie ermöglicht es aber nicht, geschützte Werke selbst zum Gegenstand der Berichterstattung zu machen; Gegenstand des wirklichkeitsgetreuen Berichts muss immer ein tatsächlicher Vorgang sein, wie dies die Pressekonferenz einer ist.

Dabei ist zu beachten, dass die Aktualität allein aber nicht ausreicht, um eine Berichterstattung über ein Tagesereignis iSd § 42c UrhG annehmen zu können. Eine solche liegt nur vor, wenn über tatsächliche Vorgänge wirklichkeitsgetreu informiert wird. Es ist nämlich die wirklichkeitsgetreue Information über tatsächliche Vorgänge, die es rechtfertigt, bei der Berichterstattung über Tagesereignisse dem Informationsinteresse der Allgemeinheit gegenüber dem Vergütungsinteresse des Urhebers den Vorzug einzuräumen, wenn der Bericht geschützte Werke einbezieht.  Vor allem aber muss das Werk mit dem Ereignis in Zusammenhang stehen, denn ansonsten ist der Informationszweck nicht mehr gegeben und die Veröffentlichung nicht gerechtfertigt.

Wenn die Journalistin nun nur das Plakat mit dem Foto abfotografiert hätte, um ihren Artikel zu illustrieren, ist dieser Vorgang nicht von § 42c UrhG erfasst, denn dann ist Gegenstand der Berichterstattung nicht ein tatsächlicher Vorgang, sondern das geschützte Werk selbst.

Die Zeitung „Immer Informiert“ druckt ihren Artikel einen Tag später ab. Ist das rechtens?

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