Dürfen Personenbildnisse ohne Zustimmung der Abgebildeten veröffentlicht werden?
Manfred Büchele, Lars Kerbler
In der Regel nicht. Grundsätzlich ist jedermann durch das Recht am eigenen Bild nach § 78 Urheberrechtsgesetz („UrhG“) vor Veröffentlichung seines Abbildes geschützt.
Das Recht am eigenen Bild ist dann verletzt, wenn
- ein Personenbildnis
- öffentlich zugänglich gemacht wird, und
- dadurch ein berechtigtes Interesse der abgebildeten Person verletzt.
Der Bildnisschutz ist eine urheberrechtliche Besonderheit, er schützt nämlich nicht das Bild an sich, sondern die ideellen Interessen der abgebildeten Person. Damit ist er ein Persönlichkeitsrecht, das vollkommen unabhängig vom urheber- oder leistungsschutzrechtlichen Schutz des Urhebers1 besteht.
Personenbildnis
Ein Personenbildnis im Sinne des § 78 UrhG liegt dann vor, wenn die abgebildete Person darauf identifizierbar ist. Zur Identifizierbarkeit werden zumeist die individuellen Gesichtszüge beitragen. Daneben sind aber auch andere individuelle Züge der Person (Statur, Frisur,2 besondere Merkmale etc.) sowie die Umstände der Veröffentlichung, z.B. der Kontext aus dem Begleittext in einer Zeitung, maßgebend.3 Der Schutz besteht unabhängig von der Art und Beschaffenheit des Bildnisses –4 umfasst sind damit neben Fotografien beispielsweise auch Plastiken, Gemälde, Illustrationen und dergleichen.
Beispiel Da ein Personenbildnis die Erkennbarkeit der individuellen Züge einer Person voraussetzt, sind Anonymisierungsversuche durch Anbringen von Zensurbalken oder „Verpixeln“ in vielen Fällen nicht ausreichend, um einen Eingriff in das Recht am eigenen Bild auszuschließen. Rechtmäßig ist die Abbildung jedenfalls dann, wenn sogar ein Betrachter aus dem Bekanntenkreis die abgebildete Person nicht erkennen kann.5 Wird der Name der Person, – wenn auch nicht vollständig (Initialen) –, im Begleittext angeführt, so wird die geforderte Erkennbarkeit freilich weiter erleichtert. Quelle: Kobuk.at
Öffentliche Zugänglichmachung
Ein Eingriff in den Bildnisschutz setzt das Verbreiten eines Personenbildnisses durch öffentliches Zugänglichmachen voraus. Dieses Zugänglichmachen deckt sich nicht mit dem verwertungsrechtlichen Verbreitungsbegriff,6 sondern inkludiert sämtliche Arten der Mitteilung an die Öffentlichkeit.7 Die Öffentlichkeit wird im Sinne des § 78 UrhG bereits dann angesprochen, wenn damit zu rechnen ist, dass das Bildnis einer Mehrzahl von Personen sichtbar gemacht wird.8
Berechtigte Interessen des Abgebildeten
In der Regel wird nicht in berechtigte Interessen der abgebildeten Person eingegriffen, wenn sie so abgebildet wird, wie sie sich in der Öffentlichkeit zeigt. Ein Eingriff liegt hingegen vor, wenn die Abbildung die abgebildete Person bloßstellt, ihr Privatleben preisgibt, zu ihrer Herabsetzung oder Entwürdigung führen kann oder Anlass zu Missdeutungen gibt.9 Obwohl über den Eingriff in berechtigte Interessen im Einzelfall zu entscheiden ist, bestehen verschiedene Anhaltspunkte zur Bewertung:
- Nicht in der Öffentlichkeit stehende Personen werden eher in ihren berechtigten Interessen verletzt („Prangerwirkung“)10, als Personen mit einem erhöhten Bekanntheitsgrad.11
- Die berechtigten Interessen des Abgebildeten können gegen das Interesse an der Bildnisveröffentlichung abzuwägen sein.12
- Eingriffe in den höchstpersönlichen Lebensbereich sind einer Interessenabwägung zwar grundsätzlich zugänglich, dem ungeachtet wird die Bildnisveröffentlichung in der Regel unzulässig sein. Zum höchstpersönlichen Lebensbereich zählen jedenfalls die Gesundheit, das Sexualleben sowie das Leben in und mit der Familie.13
- Bei unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten des Gesamtzusammenhangs ist diejenige maßgeblich, durch welche berechtigte Interessen der abgebildeten Person am stärksten beeinträchtigt werden.14
Gesamtzusammenhang
Ob ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild vorliegt, ist nach dem Gesamtzusammenhang des Abbilds zu bewerten.15 Daher werden Begleitumstände, unter denen das Bild seinen Weg an die Öffentlichkeit antritt, bei der Entscheidung über die Verletzung berechtigter Interessen miteinbezogen.16 Sie können auch durch begleitende Elemente wie Aufmachung, Text oder die Art der Verbreitung beeinträchtigt werden. Kurzum: der Gesamteindruck eines unbefangenen Durchschnittskonsumenten zählt.17
Bekanntheitsgrad abgebildeter Personen
Der Bekanntheitsgrad einer abgebildeten Person ist daran zu messen, ob das Aussehen dieser Person der Öffentlichkeit bekannt ist. Grundsätzlich schützt das Recht am eigenen Bild auch bekannte Personen; absolute Grenzen sind jedenfalls die unwahre, ehrenbeleidigende und kreditschädigende Berichterstattung oder jene, die bloß Zwecken der Neugier oder Sensationslust dient. Hierzu zählt auch die Verletzung der Privatsphäre.18
Zustimmung des Abgebildeten
Abgebildete Personen werden durch die Veröffentlichung ihrer Abbildung nicht in ihrem Recht am eigenen Bild verletzt, wenn sie dieser konkreten Veröffentlichung zugestimmt haben. Eine solche Zustimmung kann sowohl ausdrücklich, – üblicherweise mündlich oder schriftlich –, oder auch schlüssig erfolgen. Eine schlüssige Zustimmung wäre beispielsweise das Modellstehen für die Anfertigung eines Abbildes, wie z.B. für ein Portraitfoto.19
Bildnisschutz der Hinterbliebenen
Nach Ableben der abgebildeten Person können sich deren Hinterbliebene auf das Recht am eigenen Bild des Verstorbenen stützen, und zwar dann, wenn ihre eigenen berechtigten Interessen durch die Veröffentlichung verletzt werden. Dazu zählen auch berechtigte Interessen des Verstorbenen, die schon zu dessen Lebzeiten geschützt gewesen wären. Hat der Abgebildete der Veröffentlichung zu Lebzeiten selbst zugestimmt, so können sich seine Hinterbliebenen jedoch nicht auf den Bildnisschutz berufen. Hinterbliebene im Sinne der Vorschrift sind nahe Angehörige, d.h. Verwandte in auf- oder absteigender Linie sowie Ehegatten und Lebensgefährten.
Ansprüche aus dem Recht am eigenen Bild
Wird eine abgebildete Person durch die Veröffentlichung ihres Bildes in einem berechtigten Interesse verletzt, hat sie Anspruch auf
- Unterlassung von Eingriffen in das Recht am eigenen Bild,
- Beseitigung des rechtswidrigen Zustands, und
- Urteilsveröffentlichung bei stattgebendem Urteil.
Wirtschaftliche Interessen des Abgebildeten sind nicht Schutzgegenstand des Rechts am eigenen Bild.20 Fallweise können jedoch Schadenersatzansprüche und Ansprüche aus unrechtmäßiger Bereicherung entstehen. Letztere entstehen dann, wenn die geldwerte Abbildung ausgenutzt wird, wie bei Abbildungen bei Fotomodellen oder bekannten Persönlichkeiten, die zu Werbezwecken gebraucht werden.21
Beispiele Flugzeugabsturz Wird ein Unbeteiligter (hier anonymisiert) im Begleittext zu einem Portraitfoto in Boulevardzeitungen fälschlicherweise als vorsätzlicher Verursacher eines Flugzeugabsturzes bezeichnet, so liegt ein Eingriff in sein Recht am eigenen Bild vor. Unabhängig davon sind auch medien-, straf- und zivilrechtliche Folgen denkbar. Quelle: derStandard.at/Kobuk.at Des Kaisers neue Kleider Die Veröffentlichung einer Fotomontage, die den Eindruck erweckt, die mit ihrem Gesicht abgebildete Person würde nackt posieren, kann einen Eingriff in das Recht am eigenen Bild darstellen. Die Veröffentlichung eines Nacktfotos beeinträchtigt schon an sich in die berechtigten Interessen des Abgebildeten. Gleiches gilt auch für sehr realistische Fotomontagen, wenn selbst bei genauerer Betrachtung des Gesamtzusammenhangs kein Hinweis auf die Natur der Fotomontage erkennbar ist.22 Quelle: eminenz.wordpress.com Fasching Wird in einem Begleittext zu einem Foto die unrichtige Behauptung aufgestellt, dass eine namentlich genannte Person auf dem Bild ersichtlich sei, so wird diese nicht in ihrem Recht am eigenen Bild verletzt. Der Bildnisschutz kann nämlich nur tatsächlich abgebildete Personen schützen, auch wenn sich Namensträger und tatsächlich abgebildete Person in ihren physischen Merkmalen sehr ähneln. Die genannte Person kann sich jedoch auf das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen.23 Quelle: diePresse.com Fotomontage Auch Fotomontagen von Personen des öffentlichen Lebens – wenngleich mit verdecktem Gesicht – könnten als Personenbildnisse zu werten sein, wenn persönliche Merkmale eindeutig auf die Identität der Person schließen lassen. Daher ist zu überlegen, ob Abbildungen dieser Art in das Recht am eigenen Bild eingreifen. Quelle: wiev1.orf.at Identitätsklau auf Twitter In diesem Fall wurde das Bildnis und der Name des Politikers von einer anderen Person (der Benutzername ist korrekt) verwendet. Wenn auch als Satire intendiert, überwog in diesem Fall das Interesse des klagenden Abgebildeten gegenüber der Meinungsäußerung des Beklagten.24 Quelle: OGH 4 Ob 31/20t
Fußnoten
- Urheber wird in den meisten Fällen ein Fotograf sein. Siehe zu den unterschiedlichen Arten von Werken Was ist urheberrechtlich geschützt?
- OGH 14. 3. 1989, 4 Ob 5/89 – Frau des Skandalrichters – MR 1989, 54.
- RIS-Justiz RS0078020, zuletzt OGH 30.01.2017, 6 Ob 2/17p.
- Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 78 Rz 11.
- OGH 20.09.1994, 4 Ob 1075/94 – Historische Abbildung – MR 1995, 63.
- Siehe Welche Möglichkeiten bestehen, um ein Werk wirtschaftlich zu nutzen?
- Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 78 Rz 20.
- RIS-Justiz RS0113458, zuletzt OGH 22.05.2007, 4 Ob 73/07z – Aktionistische Maßnahmen – RdW 2007/533, 513 = ÖJZ EvBl 2007/141, 778 = wbl 2007/228, 502 = MR 2007, 177 = RZ 2007/EÜ 401, 256 = ÖBl-LS 2007/208, 270.
- ErlRV 64/Ge 1936, 91, http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=spb&datum=0001&page=2081&size=45 (30.09.2017).
- Guggenbichler in Ciresa/Büchele/Guggenbichler/Thiele, Österreichisches Urheberrecht18 (2015) § 78 Rz 21.
- OGH 25.04.1995, 4 Ob 26/95 – Wunderarzt – MR 1995, 145 = ÖJZ EvBl 1995/159 = RdM 1996/3, 28.
- Diese Interessenabwägung wird vom Gericht grds dann vorgenommen, wenn sich eine Partei auf ihr Veröffentlichungsinteresse beruft, vgl RIS-Justiz RS0077785, zuletzt OGH 12.04.2011, 4 Ob 3/11m – Der Deal – jusIT 2011/61, 131 (Thiele) = ecolex 2011/363, 931 (Tonninger) = ÖBl 2011/56, 232 (Büchele).
- RIS-Justiz RS0122148, zuletzt OGH 22.12.2016, 6 Ob 209/16b.
- Guggenbichler in Ciresa/Büchele/Guggenbichler/Thiele, Österreichisches Urheberrecht18 (2015) § 78 Rz 19.
- Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 78 Rz 35.
- Ris-Justiz RS0078077, zuletzt OGh 29.05.17, 6Ob61/17i – Falsch Abgebogen – MR 2017,174.
- Guggenbichler in Ciresa/Büchele/Guggenbichler/Thiele, Österreichisches Urheberrecht18 (2015) § 78 Rz 17 f.
- Vgl Guggenbichler in Ciresa/Büchele/Guggenbichler/Thiele, Österreichisches Urheberrecht18 (2015) § 78 Rz 6; RIS-Justiz RS0077839, zuletzt OGH 25.04.1995, 4 Ob 26/95 – Wunderarzt – MR 1995, 145 = ÖJZ EvBl 1995/159 = RdM 1996/3, 28.
- Vgl schon ErlRV 64/Ge 1936, 91, http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=spb&datum=0001&page=2081&size=45 (30.09.2017).
- RIS-Justiz RS0123001, zuletzt OGH 22.12.2016, 6 Ob 209/16b.
- RIS-Justiz RS0019987, zuletzt OGH 17.02.2014, 4 Ob 203/13a – Russen-Anwalt – SZ 2014/10 = ÖBl 2014/39, 184 (Grama) = jusIT 2014/47, 92 (Thiele) = ÖJZ EvBl 2014/86, 604 (Brenn) = ecolex 2014/192, 513 (Wilhelm) = MR 2014, 140 (Lanzinger-Twardosz).
- OGH 17.09.1996, 4 Ob 2249/96f – Des Kaisers neue Kleider – ecolex 1997, 34 = MR 1997, 28 = ÖBl 1997, 140.
- OGH 11.05.2012, 4 Ob 51/12x – Negermami – ecolex 2012/365, 902 (Schumacher) = JBl 2012, 511 = ÖBl-LS 2012/70/71/72, 253 = MR 2012, 134 = ÖBl 2013/19, 85 = SZ 2012/55.
- OGH 2.7.2020, 4 Ob 31/20t – Identitätsklau auf Twitter ‑ Twitter Spoofing – jusIT 2020/66 S 184 (Thiele) ‑ jusIT 2020,184 (Thiele) = MR 2020,253 (Haas) = EvBl 2020/133 S 934 - EvBl 2020,934