Manfred Büchele, Lars Kerbler, Florian Hueter

Abfotografieren von Vortragsfolien, 1. Schritt


Quelle: uniinnsbruck/flickr.com

Eine Teilnehmerin einer Lehrveranstaltung möchte sich das Lernen erleichtern und sich eine Mitschrift ersparen. Da der Vortragende keine Materialien zur Lehrveranstaltung bereitstellt, beschließt die Studentin kurzerhand, den Foliensatz mit ihrem Smartphone abzufotografieren. Die meisten Fotos gelingen ihr sehr gut, manche der Fotos bilden jedoch den Vortragenden und die in den vorderen Reihen sitzenden Kommilitonen so ab, dass sie aufgrund individueller Züge erkannt werden können. Zwei gute Freunde der Studentin, welche in derselben WG wie die Studentin wohnen und dieselbe Veranstaltung absolvieren, bitten sie nach der Lehrveranstaltung um die Übermittlung der angefertigten Aufnahmen.

Vortragsfolien sind in der Regel urheberrechtlich geschützt, sie stellen üblicherweise Sprach- und/oder Sammelwerke dar. Urheberrechtlichen Schutz genießen auch etwaige Abbildungen und andere integrierte Medien. Da die Verwertungsrechte an Werken grundsätzlich beim Urheber liegen,1 kommt insbesondere der Vortragende – neben etwaigen Dritten – als Berechtigter in Betracht.

Durch das Abfotografieren der Vortragsfolien stellt die Lehrveranstaltungsteilnehmerin eine Vervielfältigung her, die grundsätzlich dem Berechtigten vorbehalten ist. Da sie im Moment der Aufnahme jedoch weder die Weitergabe der digitalen Vervielfältigungsstücke noch deren Nutzung zu Erwerbszwecken im Sinn hat, stellt sie damit urheberrechtlich zulässige Privatkopien (Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch) her.2 Dafür ist die Zustimmung des Urhebers nicht erforderlich. Selbst die Absicht, die Fotos an zwei Mitbewohner weiterzugeben, widerspräche nicht dieser freien Werknutzung,3 weil (noch) keine öffentliche Nutzung vorliegen würde.

Auch in das Recht am eigenen Bild der abgebildeten Personen wird durch das Abfotografieren nicht eingegriffen, da ein öffentliches Zugänglichmachen nicht erfolgt.4

Die Universität kann Bildaufnahmen allerdings aufgrund ihres Hausrechts5 untersagen, und bei Verstoß Unterlassung fordern.6 Dementsprechende Ge- und Verbote sind in den Hausordnungen der Universitäten individuell geregelt.

Aus urheberrechtlicher Sicht ist das Abfotografieren der Vortragsfolien in diesem Fall zulässig.

Fußnoten

  1. Siehe Welche Möglichkeiten bestehen ein Werk wirtschaftlich zu nutzen?
  2. Siehe Können geschützte Werke ohne Zustimmung des Berechtigten genutzt werden?
  3. Ciresa in Ciresa/Büchele/Guggenbichler/Thiele, Österreichisches Urheberrecht19 (2017) § 42 Rz 17.
  4. Siehe Was haben Fotografen zu beachten?
  5. RIS-Justiz RS0128920, OGH 18.04.2013, 5 Ob 21/13v, EvBl 2013, 966 (Brenn) = iFamZ 2013, 286 (Thoma-Twaroch).
  6. OGH 22.03.1994, 4 Ob 26/94, MR 1995, 231 = ÖBl 1995, 139.