Dürfen Kopien wissenschaftlicher Beiträge weitergegeben werden?

Manfred Büchele, Lars Kerbler, Hans Strasser

 

Wissenschaftliche Beiträge sind in aller Regel urheberrechtlich geschützte Sprachwerke. Trotzdem dürfen sie sowohl auf Papier als auch in digitaler Form vervielfältigt und an einzelne Kollegen weitergegeben werden, solange das dem Forschungszweck dient.1

Schutz wissenschaftlicher Beiträge

Für wissenschaftliche Beiträge besteht unter bestimmten Voraussetzungen urheberrechtlicher Schutz. Insbesondere müssen sie eigentümliche geistige Leistungen sein, beispielsweise auf dem Gebiet der Literatur.2 In aller Regel werden diese Kriterien von wissenschaftlichen Beiträgen als geschützte Sprachwerke in Fachzeitschriften erfüllt.

Siehe zu den Erfordernissen des Urheberschutzes im Detail Was ist urheberrechtlich geschützt?

Genießt ein wissenschaftlicher Beitrag urheberrechtlichen Schutz, stehen dem Urheber die ausschließlichen Verwertungs- und Persönlichkeitsrechte3 – darunter auch das ausschließliche Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht – zu.

Siehe zu den urheberrechtlichen Nutzungsarten Welche Möglichkeiten bestehen, um ein Werk wirtschaftlich zu nutzen?

Dadurch obliegt die Entscheidung, zu welchen Bedingungen sein Werk genutzt werden darf, grundsätzlich dem Urheber. Üblicherweise schließen wissenschaftliche Autoren zur Publikation ihrer Werke Verlagsverträge ab, womit die maßgeblichen Verwertungsrechte oftmals auf die jeweiligen Verleger übergehen.

Der Verlagsvertrag wird näher behandelt in der Case Study: Entstehung eines Lehrbuchs.

Vervielfältigung und Weitergabe zum Forschungsgebrauch

Das Urheberrechtsgesetz („UrhG“) sieht auch Ausnahmen von der umfassenden Entscheidungsbefugnis des Urhebers über die Nutzung seines Werks vor. Somit gestattet es in bestimmten Fällen die freie Nutzung geschützter Werke, ohne dass zuvor die Zustimmung des Urhebers eingeholt werden müsste.4

Soweit damit keine kommerziellen Absichten verfolgt werden, dürfen Werkkopien zum (wissenschaftlichen) Forschungszweck für konkrete Forschungsvorhaben sowohl auf Papier als auch auf digitalen Speichermedien angefertigt werden.5 Eine kommerzielle (Gewinnerzielungs‑)Absicht liegt noch nicht vor, wenn ein Forschungsprojekt mit privaten Mitteln finanziert wird.6 Für Forschung, die allein der Produktentwicklung dient, besteht aber keine Möglichkeit zur Vervielfältigung zum eigenen Forschungsgebrauch.7

Für die Herstellung der Kopien darf keine Vorlage genutzt werden, die offensichtlich rechtswidrig hergestellt oder öffentlich zugänglich gemacht wurde.8 Außerdem darf die Vervielfältigung nicht mit dem Ziel vorgenommen werden, Vervielfältigungsstücke öffentlich zugänglich zu machen.9 Eine Weitergabe an (einzelne) Arbeitskollegen ist demzufolge zulässig, solange dadurch keine Öffentlichkeit erreicht wird.10

Quelle: Alvaro Reyes/unsplash.com
Beispiel
Scannt ein Universitätsangehöriger einen Beitrag aus einer Fachzeitschrift ein, um ihn per E-Mail an seinen Kollegen weiterzuleiten, mit dem er gemeinsam an einem wissenschaftlichen Projekt arbeitet, so ist das Einscannen eine zulässige Vervielfältigung zum eigenen Forschungsgebrauch. Durch die Weitergabe via E-Mail wird keine öffentliche Verwertung vorgenommen.

Fußnoten

  1. Siehe § 42 Abs 2 UrhG.
  2. Siehe § 1 UrhG.
  3. Siehe Welche Möglichkeiten bestehen, um ein Werk wirtschaftlich zu nutzen? und Wie werden die ideellen Interessen des Urhebers geschützt?
  4. Siehe Können geschützte Werke ohne Zustimmung des Berechtigten genutzt werden?
  5. Ciresa in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 (2017) § 42 Rz 14.
  6. Ciresa in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 (2017) § 42 Rz 20.
  7. Ciresa in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 (2017) § 42 Rz 19.
  8. Siehe zu § 42 Abs 5 UrhG Ciresa in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 (2017) § 42 Rz 16.
  9. Zemann in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 42 Rz 12 f.
  10. Siehe zum Öffentlichkeitsbegriff des  Verbreitungsrechts Was versteht man im Urheberrecht unter Öffentlichkeit?