Handeln Ghostwriter und ihre Auftraggeber rechtmäßig?

Manfred Büchele, Lars Kerbler, Florian Hueter

 

Ghostwriter sind Personen, die literarische Auftragswerke schaffen, welche mit „falscher“ Urheberbezeichnung im Namen ihrer Auftraggeber veröffentlicht werden sollen. Eine solche Fremdzuschreibung kann beispielsweise bei politischen Reden, „Auto-“Biographien, Liedtexten, Kompositionen oder akademischen Abschlussarbeiten erfolgen.

Ghostwriter-Texte werfen unterschiedliche Fragestellungen auf. Zum einen will der Ghostwriter-Vertrag wirtschaftliche Nutzungsrechte auf den Auftraggeber übertragen. Außerdem sind Urheberpersönlichkeitsrechte betroffen, weil der Ghostwriter einwilligt, dass ein fremder Nichturheber, – in der Regel der Auftraggeber –, als Autor genannt wird.1

Neben urheberrechtlichen Fragen können auch studien-, straf- und wettbewerbsrechtliche Probleme auftreten, beispielsweise dann, wenn Ghostwriter akademische Abschlussarbeiten für Studierende verfassen. Daneben kann schon der Ghostwriter-Vertrag im Ganzen oder teilweise zivilrechtlich sittenwidrig und damit unzulässig sein.

Die vertragliche Gestaltung des Werkschaffens im Namen anderer kann neben dem literarischen Ghostwriter auch andere Werkkategorien umfassen, womit auch andere „Ghost“-Schöpfer denkbar sind.

Urheberrechtliche Besonderheiten des Ghostwriter-Vertrags

Durch die Verpflichtung zur Anfertigung eines spezifischen Werks geht der Ghostwriter mit seinem Auftraggeber in der Regel einen Werkvertrag2 ein, wobei Ghostwriting freilich auch im Rahmen von Arbeitsverhältnissen3 denkbar ist.  Üblicherweise räumt der Ghostwriter seinem Auftraggeber ein ausschließliches, umfassendes Werknutzungsrecht am zu schaffenden Werk ein. Vertragszweck ist dabei gerade die Stellung des Auftrag- oder Dienstgebers als Scheinurheber. Da letzterer weitgehend in die Position eines Urhebers gesetzt werden soll, erhält er auch das erstmalige Veröffentlichungsrecht4 für das Werk des Ghostwriters.

Der Urheber verzichtet zugunsten seines Vertragspartners außerdem umfassend auf die Anbringung seiner Urheberbezeichnung5, und zwar sowohl am Originalwerk als auch auf Vervielfältigungsstücken. Der Kern der Ghostwriterabrede, – die Veröffentlichung des Werks unter dem Namen des Nichturhebers –, und die damit einhergehende Verpflichtung des Ghostwriters, die Verschwiegenheit über die Urheberschaft zu wahren,6 ist urheberrechtlich unzulässig: Der vertragliche Ausschluss des Rechts des Urhebers, seine Urheberschaft (gerichtlich) in Anspruch zu nehmen, ist sittenwidrig7 und damit unwirksam. Gleich ergeht es auch anderen Vertragsklauseln, welche die Inanspruchnahme der Urheberschaft zu verhindern suchen.

Der Urheber verzichtet auch auf sein Recht auf Werkschutz, also insbesondere auf die gesetzliche Möglichkeit, sich gegen Änderungen am Werk oder an seinem Titel zur Wehr zu setzen, damit der Nichturheber nachträgliche Änderungen und Korrekturen einfügen kann, die er aufgrund seines umfassenden Werknutzungsrechts in der Folge auch verwerten darf. Das Verbot, sich gegen Verstümmelung oder Entstellung seines Werks oder Änderungen, die seine geistigen Interessen schwer beeinträchtigen,8 zu wehren, ist auf jeden Fall unzulässig.

Zivilrechtliche Aspekte des Ghostwriter-Vertrags

Obwohl unterschiedliche Vertragsarten als Grundlage für die Tätigkeit von Ghostwritern dienen können, ist der Werkvertrag die naheliegende Vertragsgrundlage, denn dieser liegt dann vor, wenn jemand die Herstellung eines Werks gegen Entgelt übernimmt.9

Ghostwriter-Verträge werden die zu schaffenden Werke grundsätzlich nicht unbestimmt lassen, sondern bestimmte Modalitäten der Ausführung festlegen: So hält sich ein Ghostwriter grundsätzlich an die Vorstellungen, Gefühle, Meinungen und Ansichten10 des Auftraggebers und schneidert das Werk gewissermaßen auf diesen zu, wobei er sich zum Teil auch an konkrete Inhaltsvorgaben halten muss.

In bestimmten Situationen können Ghostwriterabreden schon als solche sittenwidrig und damit unzulässig sein, da sie dem Berufsethos von Wissenschaftern, Komponisten, Bildhauern und Schriftstellern zuwiderlaufen können.11

Akademisches Ghostwriting

Das Verfassen einer wissenschaftlichen (Abschluss-)Arbeit durch einen Ghostwriter verstößt gegen studienrechtliche Bestimmungen.12 Diese Rechtsvorschriften verlangen beispielsweise eigen-13 oder selbstständige, methodische vertretbare wissenschaftliche Arbeitsweise.14 Dieses Prinzip entspricht auch auf den allgemeinen Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis (Good Scientific Practice), die für die (Mit-)Autorschaft wissenschaftlicher Arbeiten einen eigenen Beitrag voraussetzen.

Das Erschleichen einer studienrelevanten Beurteilung durch Ghostwriting führt zur Nichtigerklärung von Beurteilungen, sofern die Bewertung bereits erfolgt ist.15 Wurde aufgrund vorgetäuschter wissenschaftlicher oder künstlerischer Leistungen bereits ein akademischer Grad verliehen, so ist dieser durch die Universität nachträglich zu widerrufen.16 Ghostwriting im Rahmen von Forschungsarbeiten kann als Wissenschaftsbetrug im Einzelfall dienst-, hochschul-, straf- oder wettbewerbsrechtlich sanktioniert sein, führt aber jedenfalls zu drastischem Vertrauensverlust in die Leistungen der betretenen Wissenschafter.

Beispiele

Donald Trump

Das Sprachwerk „The Art of the Deal“, dessen Urheberschaft sich der 45. Präsident der Vereinigten Staaten zuschreibt, führt auf dem Cover auch den Autor Tony Schwartz als Miturheber an. Noch vor der Wahl Donald Trumps trat Tony Schwartz mit der Aussage an die Öffentlichkeit, er habe das Werk selbstständig verfasst, und Trump habe nur minimale Änderungen – wie die Löschung weniger Textstellen – veranlasst.17
Quelle: Lamro/en.wikipedia.org

Ronald Reagan

Ronald Reagans Rede „The Boys of Pointe du Hoc“ wurde durch seine Redenschreiberin Peggy Noonan verfasst.18 Die Rede, welche die Ankunft von Landungsschiffen an der französischen Atlantikküste beschreibt, wurde im Rahmen der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag des D-Day am Ort der Invasion vorgetragen. Politische Reden wie diese entstammen regelmäßig der Feder designierter Speechwriter, die sich jedoch oftmals nicht zur Verschwiegenheit verpflichten und damit keine klassischen Ghostwriter sind.
Quelle: Reagan Library/youtube.com

Fußnoten

  1. Trägt auch der Auftraggeber schöpferisch zum Werk bei, kann auch Mit- oder Teilurheberschaft von Ghostwriter und Auftraggeber entstehen. Siehe dazu: Können zwei oder mehrere Personen gemeinsam Urheber sein?
  2. Siehe allgemein zum Werkvertrag im Urheberrecht: Welche Rechte stehen an Auftragswerken zu?
  3. Vgl. zum Werkschaffen von Arbeitnehmern: Wer ist im Arbeitsverhältnis Urheber?
  4. Siehe zum Veröffentlichungsrecht: Ist die erstmalige Veröffentlichung eines Werks dem Urheber vorbehalten?
  5. Siehe Wann und wie ist der Urheber zu nennen?
  6. Siehe zu den Kriterien der Ghostwriter-Abrede Brehm, Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten bei Ghostwriter-Verträgen, MR 2015, 303 (306 f).
  7. Zur Sitten- bzw. Gesetzwidrigkeit von Vereinbarungen, die das Recht des Urhebers auf Inanspruchnahme der Urheberschaft beschränken, siehe ErlRV 64/Ge 1936, 43, http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=spb&datum=0001&page=2033&size=35 (14.11.2022).
  8. Siehe Wie werden die ideellen Interessen des Urhebers geschützt?
  9. Krejci in Rummel, ABGB3 (2000) § 1166 Rz 4.
  10. Stolz, Der Ghostwriter im deutschen Recht (1971) 2.
  11. Kroitzsch/Götting in Ahlberg/Götting, BeckOK Urheberrecht19 (2018) § 13 Rz 24.
  12. Vgl. Brehm, Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten bei Ghostwriter-Verträgen, MR 2015, 303 (304).
  13. Vgl. § 51 Abs 2 Z 7 UG 2002.
  14. Vgl. § 51 Abs 2 Z 8 und 13 UG 2002.
  15. Siehe § 73 Abs 2 (ehemals § 74 Abs 2) UG 2002 sowie Perthold-Stoitzner in Perthold-Stoitzner, UG3 (2016) § 74 Rz 4 ff.
  16. Siehe § 89 UG 2002.
  17. Vgl. Mayer, Donald Trump’s Ghostwriter Tells All (25.7.2016) https://www.newyorker.com/magazine/2016/07/25/donald-trumps-ghostwriter-tells-all (14.11.2022).
  18. Siehe https://voicesofdemocracy.umd.edu/ronald-reagan-normandy-speech-point-du-hoc (11.14.2022).