Können Werke anderer im Unterricht verwendet werden?

Manfred Büchele, Lars Kerbler, Hans Strasser

 

Die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke zu Zwecken des Unterrichts1 und der Lehre ist Teil des pädagogischen Alltags. Das Urheberrechtsgesetz sieht dafür sogenannte freie Werknutzungen2 vor, wie etwa

  • die Vervielfältigung zu Zwecken des Unterrichts und der Lehre (zB die Herstellung von Kopien für jeden Schüler einer Klasse),
  • die öffentliche Zurverfügungstellung für Unterricht und Lehre (etwa auf einer Lernplattform wie Moodle),
  • die öffentliche Wiedergabe im Unterricht (zB die Vorführung eines Dokumentarfilms) und
  • das Zitat.3

In Ausnahmefällen kann die Nutzungshandlung auch grundsätzlich zulässig sein, wenn die Nutzungsart dem Urheber nicht ausschließlich vorbehalten ist.4

Beispiel
Das Durchreichen einer Fotografie oder eines Gedichts in einer Schulklasse berührt nicht die ausschließlichen Verwertungsrechte des Urhebers, und ist demnach zulässig.5 Wird zu diesem Zweck jedoch eine Kopie eines Werks hergestellt, so unterliegt diese dem Vervielfältigungsrecht des Urhebers. Es handelt sich dabei gegebenenfalls um eine zulässige Vervielfältigung zum Unterrichts- und Lehrgebrauch.

Vervielfältigung zum Unterrichts- und Lehrgebrauch

Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen dürfen zum Zweck des Unterrichts und der Lehre urheberrechtlich geschützte Werke ohne Zustimmung des Urhebers vervielfältigen und verbreiten. Grundsätzlich sind davon sowohl öffentliche als auch private Bildungseinrichtungen umfasst; handeln diese jedoch in Gewinnerzielungsabsicht, so sind digitale Vervielfältigungen unzulässig.6

Darüber hinaus können zulässige Vervielfältigungsstücke nur von rechtmäßig hergestellten oder der Öffentlichkeit rechtmäßig zugänglich gemachten Vorlagen hergestellt werden.7

Die Vervielfältigung ist außerdem nur insofern zulässig, als sie sich quantitativ an der Zahl der Schüler einer Schulklasse beziehungsweise der Teilnehmer einer Lehrveranstaltung orientiert. Ob bloß Werkteile oder das gesamte Werk vervielfältigt werden dürfen, entscheidet sich nach Maßgabe des jeweiligen Lehr- bzw Unterrichtszwecks.

Eine Ausnahme von dieser Privilegierung für Unterricht und Lehre besteht hinsichtlich jener Werke, die ihrer Beschaffenheit und Bezeichnung nach zum Schul- bzw Unterrichtsgebrauch bestimmt sind. Erst durch diese Einschränkung können Urheber solcher Werke ihr Auslangen finden, da ihre Ertragsmöglichkeiten andernfalls stark beschränkt werden würden.

Öffentliche Zurverfügungstellung für Unterricht und Lehre

Um die Einbindung moderner Lern- und Lehrmethoden zu erleichtern, gestattet das Urheberrechtsgesetz die öffentliche Zurverfügungstellung und die dafür notwendige Vervielfältigung8 von urheberrechtlich geschützten Werken für Unterricht und Lehre.9 Davon umfasst ist beispielsweise die Zurverfügungstellung von Werken auf Lernplattformen wie Moodle10, OLAT11 oder ILIAS12.

Damit der Upload von solchen Unterrichtsmaterialien zulässig ist, muss das jeweilige Werk bereits veröffentlicht worden sein.13 Des Weiteren können Werke nur dann online zur Verfügung gestellt werden, wenn dies durch den jeweiligen Unterrichts- und Lehrzweck geboten ist. Demnach muss ein besonderes didaktisches Bedürfnis existieren, das bereits dann vorliegt, wenn die Zugänglichmachung für die Aufbereitung des Lehrstoffes hilfreich ist.14 Die Personen, für die ein Werk zur Verfügung gestellt wird, müssen Teilnehmer einer bestimmten Unterrichtseinheit oder Lehrveranstaltung sein.

Beispiel – Lehrzweck
Der Lehrzweck kann nicht das Zurverfügungstellen ganzer Bücher rechtfertigen, wenn bereits die Zurverfügungstellung einzelner Passagen oder Kapitel zur zweckdienlichen Aufbereitung des Lehrstoffes genügt.15
Beispiel – Meilensteine der Psychologie

Wird das ungefähr 500 Seiten umfassende Werk „Meilensteine der Psychologie“ in wesentlichen Teilen 4000 Unterrichtsteilnehmern einer Fernuniversität zur Verfügung gestellt, ist damit die zulässige (begrenzte) Öffentlichkeit noch nicht überschritten, da der Kreis der Unterrichtsteilnehmer abgegrenzt ist.16
Quelle: kroener-verlag.de

Mit der Zurverfügungstellung dürfen keine kommerziellen Zwecke verfolgt werden. Allerdings deutet noch nicht jede Form der Entgeltlichkeit auf einen kommerziellen Zweck hin. Die Erhebung von Schulgeld, Universitätsgebühren etc bleibt demnach unbeachtlich, solange dies lediglich der Kostendeckung dient.17

Auch die öffentliche Zurverfügungstellung für Unterricht und Lehre nimmt – aus den bereits oben genannten Gründen – jene Werke von der freien Werknutzung aus, die ihrer Beschaffenheit und Bezeichnung nach für den Schul- oder Unterrichtsgebrauch bestimmt sind. Für Filmwerke gilt, dass diese nicht zur Verfügung gestellt werden dürfen, wenn sie vor weniger als zwei Jahren im Inland erschienen sind.

Öffentliche Wiedergabe im Unterricht

Um die Nutzung von Filmwerken in Lehre und Unterricht zu erleichtern, wird auch die Aufführung von Filmwerken an Schulen und Universitäten durch eine freie Werknutzung ermöglicht. Damit solche zustimmungsfreien Aufführungen zulässig sind, müssen sie einem konkreten Lehrzweck dienen – also dem universitären oder schulischen Lehrplan entsprechen.18 Filmaufführungen, die ausschließlich der Beschäftigung der Schüler dienen, genügen diesem Erfordernis nicht.19

Auch Filmwerke, die ihrer Bezeichnung und Beschaffenheit nach für den Unterrichts- und Lehrgebrauch bestimmt sind, dürfen nicht ohne die Zustimmung des Urhebers aufgeführt werden. Ebenso scheidet die Wiedergabe von Raubkopien aus. Demgegenüber dürfen aber rechtmäßig hergestellte Mitschnitte von Fernsehsendungen, die als Vervielfältigung zu Zwecken des Unterrichts und der Lehre zulässig sind, gezeigt werden.20

Beispiel
Selbst wenn ein Werk der Filmkunst zum Zweck des Unterrichts lediglich in einer einzelnen Klasse einer Volksschule aufgeführt wird, handelt es sich dabei um eine vergütungspflichtige öffentliche Aufführung,21 da Schulklassen grundsätzlich öffentlich22 sind. Damit unterliegt die Wiedergabe grundsätzlich der Zustimmung des Urhebers, kann aber nach den o.a. Kriterien als freie Werknutzung zulässig sein.

Zitatrecht

Das Zitatrecht ermöglicht die Nutzung von Werken im Unterricht und in der Lehre im Rahmen seines Zitatzwecks. So ermöglicht beispielsweise das Kunstzitat die Vorführung von Werken der bildenden Kunst im Rahmen wissenschaftlicher oder belehrender Vorträge.

Grundsätzlich sind alle denkbaren Verwertungsarten durch das Zitatrecht abgedeckt. Somit kann das Kunstzitat beispielsweise auch durch Vervielfältigungen ergänzt werden, womit die Anfertigung entsprechender Overheadfolien, Scans oder Tischvorlagen zulässig sein kann.23

Anders als bei den oben genannten freien Werknutzungen ist im Zitatrecht kein Vergütungsanspruch vorgesehen.24

Siehe ausführlich zum Zitatrecht Welche Zitate sind zulässig?

Fußnoten

  1. Büchele/Kerbler, Copyright for Austrian Educators (Urheberrecht im Unterricht), in Hug, Medienpädagogik – Herausforderungen für Lernen und Bildung im Medienzeitalter (2018), abrufbar unter https://ssrn.com/abstract=3156464.
  2. Siehe Können geschützte Werke ohne Zustimmung des Berechtigten genutzt werden?
  3. Die speziell für den Unterricht vorgesehenen freien Werknutzungen sehen einen Anspruch auf angemessene Vergütung des Urhebers vor, der nur von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden kann.
  4. Siehe Welche Möglichkeiten bestehen, um ein Werk wirtschaftlich zu nutzen?
  5. Büchele/Kerbler, Copyright for Austrian Educators (Urheberrecht im Unterricht), in Hug, Medienpädagogik – Herausforderungen für Lernen und Bildung im Medienzeitalter (2018), abrufbar unter https://ssrn.com/abstract=3156464.
  6. Zemann in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 42 UrhG Rz 36.
  7. Ciresa in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19  (2017) § 42 UrhG Rz 44.
  8. Appl in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 42g UrhG Rz 59.
  9. Appl in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 42g UrhG Rz 14.
  10. Vgl. https://moodle.org.
  11. Vgl. https://olat.org.
  12. Vgl. https://www.ilias.de.
  13. Siehe zum Begriff der Veröffentlichung Welche Folgen hat die Bekanntmachung eines Werks?
  14. Schulz/Hagemeier, Beck OK Urheberrecht (2017) § 52a UrhG Rz 11.
  15. Homar, Lernen im Unterricht, MR 2015, 344 (350).
  16. dBGH 28.11.2013, I ZR 76/12 – Meilensteine der Psychologie – GRUR 2014, 549.
  17. Appl in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 42g UrhG Rz 70.
  18. Majchrzak in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 56c UrhG Rz 8.
  19. Ciresa in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht12 (2009) § 56c UrhG Rz 7.
  20. Ciresa in  Ciresa, Österreichisches Urheberrecht12 (2009) § 56c UrhG Rz 10.
  21. OGH 23.09.2008, 4 Ob 131/08f – Schulfilm – SZ 2008/133 = ecolex 2009/122, 339 (Schumacher) = ÖBl 2009/27, 137 (Büchele).
  22. Siehe Was versteht man im Urheberrecht unter Öffentlichkeit?
  23. Mitterer/Korn in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 42f UrhG Rz 50.
  24. Ciresa in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 (2017) § 42f Rz 21.