Wie werden die ideellen Interessen des Urhebers geschützt?

Manfred Büchele, Lars Kerbler, Hans Strasser

 

Zum Schutz ideeller und persönlicher Urheberinteressen sieht das Urheberrechtsgesetz („UrhG“) unterschiedliche Urheberpersönlichkeitsrechte vor.

Anders als die wirtschaftlichen Verwertungsrechte1 stellen sie nicht wirtschaftliche Ertragschancen sicher, sondern schützen das geistige Band zwischen dem Urheber und seinem Werk. Sie umfassen

  • die erstmalige Veröffentlichung des Werks (Veröffentlichungsrecht),
  • die Anerkennung der Urheberschaft,
  • das Recht auf Urheberbezeichnung und
  • den Schutz der Integrität eines Werkes.

Die Urheberpersönlichkeitsrechte sind unter Lebenden nicht übertragbar, gehen im Falle des Ablebens des Urhebers jedoch auf seine Erben über. Auf die Urheberpersönlichkeitsrechte im Ganzen kann nicht verzichtet werden, einzelne Rechte können aber vertraglich außer Kraft gesetzt werden.

Veröffentlichungsrecht

Der Urheber kann umfassend über die Bedingungen entscheiden, zu denen sein Werk erstmals seinen Weg an die Öffentlichkeit findet.

Siehe dazu Ist die erstmalige Veröffentlichung eines Werks dem Urheber vorbehalten?

Schutz der Urheberschaft

Wird ein Werk einem anderen als dem Urheber zugeschrieben oder wird seine Urheberschaft am Werk bestritten, so kann der Urheber sich jederzeit auf seine Urheberschaft berufen und gegen Dritte vorgehen, die sich die Urheberschaft anmaßen.2 Infolgedessen kann das Gericht mittels Klage ersucht werden, die Urheberschaft am Werk festzustellen oder die Unterlassung von Verstößen anzuordnen.

Das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft ist unverzichtbar, weshalb anderslautende Vereinbarungen unzulässig sind.3

Urheberbezeichnung

Eng mit dem Recht auf Anerkennung der Urheberschaft verbunden ist das verzichtbare4 Recht des Urhebers, zu entscheiden, ob und wie das Werk mit einer Urheberbezeichnung auszustatten ist. Das gilt beispielsweise für den Ghostwriter, der einer Fremdzuschreibung seines Werkes vertraglich zustimmt und somit auf seine Nennung als Urheber verzichtet.5 Die Anbringung einer Urheberbezeichnung ist keine Voraussetzung für den urheberrechtlichen Schutz, der als Urheber Genannte gilt jedoch bis zum Beweis des Gegenteils als Urheber.6

Siehe zur Urheberbezeichnung im Detail Wann und wie ist der Urheber zu nennen?

Beispiel – Riven Rock

Da Übersetzungen literarischer Werke in der Regel selbst urheberrechtlich geschützte Bearbeitungen darstellen, muss bei einer Literatursendung des Radiosenders Ö1 über den amerikanischen Autor T.C. Boyle auch der Übersetzer genannt werden, wenn während der Sendung Zitate aus dessen Übersetzungen verlesen werden.7
Quelle: dtv.de
Beispiel – Universum

Dem Urheber der Filmmusik zu „Glockner – der schwarze Berg“ der ORF-Dokumentationsreihe „Universum“ steht es aufgrund seines Urheberpersönlichkeitsrechts auch zu, zu untersagen, dass er als Urheber genannt wird.8
Quelle: derstandard.at

Werkschutz

Der Werkschutz schützt die Integrität von Werken. Zugrundeliegende Idee ist es, dem Urheber – den eine persönliche Beziehung mit seinem Werk verbindet – zu ermöglichen, über die Gestalt seines Werks zu entscheiden.9 Werden Werke also öffentlich zugänglich gemacht, dürfen daran grundsätzlich keine Kürzungen, Zusätze oder andere Änderungen – auch nicht vom Nutzungsberechtigten – vorgenommen werden.

Beispiel
Die lediglich ausschnittsweise Herausgabe einer Buchtitelzeichnung der bekannten Karikaturistin Winnie Jakob stellt eine Verletzung des Werkschutzes dar, wenn für diese „Kürzung“ nicht ihre Zustimmung eingeholt wurde.10

Den gravierendsten Eingriff in den urheberpersönlichkeitsrechtlichen Werkschutz bilden Entstellungen, Verstümmelungen und andere Änderungen, die die geistigen Interessen des Urhebers schwer beeinträchtigen. Eine derartige Beeinträchtigung der Interessen des Urhebers kann – nebst einer Änderung direkt am Werk – auch durch das Umfeld der Nutzung eintreten.11 Solche Eingriffe dürfen selbst dann nicht vorgenommen werden, wenn der Urheber zu Änderungen allgemein eingewilligt hat, diese jedoch nicht genauer definiert wurden.

Sonstige Änderungen sind jedoch zulässig, wenn der Urheber seine Einwilligung dazu erteilt hat, wenn gesetzliche Ausnahmen vorliegen oder eine Änderung durch den Nutzungsberechtigten den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten entspricht. Seine Einwilligung kann der Urheber sowohl ausdrücklich als auch schlüssig erteilen. Gesetzliche Ausnahmen für das Änderungsverbot bestehen beispielsweise zugunsten des Zitats, für das auch die Verwendung einzelner Stellen eines bereits veröffentlichten Werkes erlaubt ist.12 Eine gegen das Änderungsverbot verstoßende Kürzung eines Werkes liegt in diesem Fall nicht vor.

Die Frage, ob eine Änderung den im Verkehr geltenden Gewohnheiten entspricht, kann nicht im Vorhinein mit Hilfe abstrakter Kriterien beantwortet werden. Ganz im Gegenteil: die Interessen des Urhebers sowie die des Nutzungsberechtigten müssen gegeneinander abgewogen werden. Maßgeblich für die Beurteilung sind insbesondere Art und Umfang der Änderung und der Gebrauchszweck, für den die Nutzungsberechtigung erteilt wurde.13

Beispiel – Tirol Milch

Die behutsame Änderung eines zu Werbezwecken geschaffenen Logos durch die Anpassung der Hintergrundfarbe wie in der obigen Abbildung kann demnach zulässig sein, wenn durch die geringfügige Änderung eine bessere Abgrenzung zu anderen am Markt erhältlichen Produkten erzielt werden soll.14 In einem derartigen Fall überwiegen die wirtschaftlichen Interessen des Nutzungsberechtigten.
Quelle: OGH 11.05.2010, 4 Ob 49/10z
Beispiel – Zimmermann Fitness

Wird das urheberrechtlich geschützte Logo eines Unternehmens aufgrund eines Eigentümerwechsels um einen Zusatz ergänzt, der auf diesen hinweist, liegt keine in den Werkschutz eingreifende Änderung vor. Der wesentliche gestalterische Kern des Logos bleibt davon unberührt. Werden darüber hinaus jedoch auch die Schriftgröße und der Zeichenabstand des Logos geändert, liegt eine Verletzung des Werkschutzes vor.15
Quelle: lexisnexis.com

Urstücke von Werken der bildenden Künste dürfen selbst dann nicht verändert werden, wenn sie in einer Weise genutzt werden, die sie der Öffentlichkeit nicht zugänglich macht. Ziel dieser strengeren Regelung ist es, das Interesse der Allgemeinheit und des Urhebers daran zu wahren, dass Originale von Werken der bildenden Künste die Gestalt behalten, die ihnen der Urheber verliehen hat.16

Beispiele

Bundeshymne
Die geschlechtsneutrale Pop-Version der österreichischen Bundeshymne von Christina Stürmer – die vom Bildungsministerium in Auftrag gegeben und veröffentlicht wurde – stellt keinen Verstoß gegen den Werkschutz dar. Dies gründet zum einen in der schlüssig erteilten Einwilligung der Schöpferin – erteilt durch die Teilnahme am Preisausschreiben der Republik Österreich – und zum anderen in der Beibehaltung des Sinnes sowie der Grundaussage des Originalwerkes.17
Wahlkampfveranstaltung
Die Verwendung zweier Musikstücke auf einer Wahlkampfveranstaltung wird jedenfalls dann als mittelbare Beeinträchtigung der Interessen der Urheber gewertet, wenn sie dramaturgisch in den Verlauf der Wahlkampfveranstaltung integriert und dadurch in eine inhaltliche Nahebeziehung zum stattfindenden politischen Geschehen gebracht werden.18

Fußnoten

  1. Siehe Welche Möglichkeiten bestehen, um ein Werk wirtschaftlich zu nutzen?
  2. Toms in Kucsko/Handig, urheber.recht(2017) § 19 UrhG Rz 18.
  3. Siehe Handeln Ghostwriter und ihre Auftraggeber rechtmäßig?
  4. Ris-Justiz RS0116163, zuletzt OGH 20.1.2015, 4 Ob 259/14p – Theobald – MR 2015, 155 (Walter) = RdW 2015, 231.
  5. Siehe Handeln Ghostwriter und ihre Auftraggeber rechtmäßig?
  6. Siehe Wann und wie ist der Urheber zu nennen?
  7. OGH 29.01.2002, 4 Ob 293/01v, ÖBl 2002/55, 250 (Wolner).
  8. OGH 16.07.2002, 4 Ob 164/02z, MR 2002, 307 (Walter).
  9. Gugenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht (2017) zu § 21 UrhG Rz 1.
  10. OGH 12.10.1993, 4 OB 101/93, MR 1994, 239 (Walter).
  11. Toms in Kucsko/Handig,urheber.recht(2017) § 21 UrhG Rz 22.
  12. Vgl § 42f UrhG.
  13. Toms in Kucsko/Handig, urheber.recht(2017) § 21 UrhG Rz 19.
  14. OGH 11.05.2010, 4 Ob 49/10z – Tirol Milch-Logo – ÖBl-LS 2010/166 = MR 2010,268.
  15. OGH 22.06.1999, 4 Ob 159/99g – Zimmermann FITNESS – ÖBl 2000, 130 (Kucsko).
  16. Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht (2017) zu § 21 UrhG Rz 21.
  17. OGH 15.12.2010, 4 Ob 171/10s – Bundeshymne II/Rock me Paula – JBl 2011,313 = MR 2011,79 (Walter).
  18. dBGH 11.05.2017, I ZR 147/16, GRUR-RR 2018, 61.