Können geschützte Werke ohne Zustimmung des Berechtigten genutzt werden?

Manfred Büchele, Lars Kerbler

 
Das Urheberrechtsgesetz („UrhG“) sieht freie Werknutzungen als Ausnahmen von den Verwertungsrechten vor. Es handelt sich dabei um einzelne Möglichkeiten zur freien Nutzung geschützter Werke unter bestimmten Bedingungen.

Freie Werknutzungen

Freie Werknutzungen entspringen der Überlegung, dass das Urheberrecht bzw. die mit ihm verbundenen Nutzungsmöglichkeiten in manchen Fällen zugunsten der Allgemeinheit – und damit zulasten des Urhebers – beschränkt werden sollen.

Freie Werknutzungen gestatten die Nutzung von geschützten Werken, ohne dass der Urheber dieser Nutzung zustimmen muss. Sie berechtigen nur zu einzelnen Nutzungshandlungen, während das Urheberrecht an sich aufrecht bleibt. Die Grenzen freier Werknutzungen sind grundsätzlich eng abgesteckt, um die Schutzrechte der Berechtigten nicht zu stark zu beeinträchtigen.

Zu den freien Werknutzungen gehören u.a.

  • die Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch, also die Herstellung von einzelnen Kopien zur eigenen Nutzung auf Papier oder ähnlichen Trägern;
  • die Vervielfältigung zum privaten (Forschungs-)Gebrauch, die auch Kopien auf anderen Trägern zu nicht-kommerziellen Zwecken zulässt;
  • die Vervielfältigung zum eigenen Schulgebrauch, im Rahmen derer Schulen, Universitäten und andere Bildungseinrichtungen Kopien für Unterricht und Lehre herstellen dürfen;
  • das Zitatrecht, im Rahmen dessen Werke für besondere Zwecke kopiert, verbreitet, sowie öffentlich zur Verfügung gestellt, aufgeführt und vorgeführt werden dürfen.

Da freie Werknutzungen den Absatz von Originalwerken verringern,1 stehen dem Urheber unterschiedliche angemessene Vergütungen zu. Solche Vergütungen sind von Verwertungsgesellschaften einzuheben, und an die Rechteinhaber zu verteilen. Beispiele für solche Vergütungen sind:

  • Die im Jahr 2015 eingeführte Speichermedienvergütung,2 die primär derjenige zu entrichten hat, der das Speichermedium im Inland als erster gewerbsmäßig in Verkehr bringt;
  • die Reprografievergütung, die sich zusammensetzt aus
    • der Gerätevergütung, die für das gewerbsmäßige, entgeltliche Inverkehrbringen reprographischer Vervielfältigungsgeräte3 anfällt, und
    • der Betreibervergütung, die für das Betreiben solcher Geräte zu leisten ist;
  • weitere angemessene Vergütungen, wie bspw. für kopierte und öffentlich zur Verfügung gestellte Werke im Rahmen des Gebrauchs im Unterricht und in der Lehre.
Beispiel
Der österreichische Elektronik-Großhändler, der zahlreiche Multifunktionsdrucker mit Kopierfunktion importiert und diese sodann weiterverkauft, hat eine Gerätevergütung4 für jedes in Verkehr gebrachte Gerät zu leisten. Diese Vergütung wirkt sich damit auch auf die Preise für Endkunden aus.

Fußnoten

  1. Büchele in Ciresa/Büchele/Guggenbichler/Thiele, Österreichisches Urheberrecht18 (2015) § 42b Rz 1.
  2. Die Speichermedienvergütung deckt digitale sowie analoge Speichermedien wie Musikkassetten, CDs, DVDs, Blu-Ray-Discs, Festplatten, USB-Sticks, Speicherkarten, Speicher in Mobiltelefonen u. dgl. ab. Die Tarife pro Speichermedium reichen aktuell (Stand: 8.6.2015) von € 0,10 (USB-Stick bis 1 GB Speicherplatz) bis € 36,45 (Externe Multimedia-Festplatte mit Recording-Funktion ab 751 GB Speicherplatz) und werden durch die Austro Mechana eingehoben.
  3. Kopiergeräte, Faxgeräte, Scanner, Laser- und Tintenstrahldrucker sowie –Multifunktionsgeräte.
  4. An die zuständige Verwertungsgesellschaft (Literar-Mechana Wahrnehmungsgesellschaft für Urheberrechte GesmbH) lt. aktuell gültigem Tarif.