Treffen den Besitzer eines Werkstücks Pflichten?

Manfred Büchele, Lars Kerbler, Florian Hueter

 

Den Besitzer eines Werkstücks trifft insbesondere die Pflicht, dem Urheber unter bestimmten Voraussetzungen Zugang zu seinem Werk zu gestatten, sofern das notwendig ist, um Vervielfältigungen herzustellen (Zugangsrecht)1.

Darüber hinausgehende Pflichten – wie eine Erhaltungspflicht – treffen den Besitzer des Werkstücks nicht.2

Wird ein Urstück („Original“) eines Werks der bildenden Künste unbefugt geändert, so muss der Eigentümer des Werks dem Urheber auf dessen Verlangen hin die Wiederherstellung des Urzustandes ermöglichen.3

Zugangsrecht

Befindet sich ein Werk nicht im Besitz des Urhebers, so kann sein Zugang dazu eingeschränkt sein. Hier setzt das Zugangsrecht an, das voraussetzt, dass das Anfertigen einer Vervielfältigung den Zugang dazu erfordert. Um zulässig zu sein, muss seine Ausübung dazu notwendig, also die einzige zumutbare Möglichkeit sein.4 Handelt es sich um ein Werk der bildenden Kunst, so ist der Urheber auch dann zugangsberechtigt, wenn er einem Dritten das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung eingeräumt hat – beispielsweise etwa dann, wenn er das Vervielfältigungsstück zur Dokumentation seines Schaffens nutzt.5 Der vertragliche Verzicht auf das Zugangsrecht ist überdies unwirksam.6 Das Zugangsrecht erstreckt sich sowohl auf Originale als auch auf Vervielfältigungsstücke.

Sowohl (Mit-)Urheber wie auch Bearbeiter und Rechtsnachfolger können das Zugangsrecht bis zum Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist ausüben.7 Dabei muss auch beauftragten Dritten, wie Fotografen oder Assistenten, Zugang zum Werk gewährt werden.8 Diesen Zugang muss der Besitzer oder der Inhaber des Werks gewähren, wobei die Eigentumsverhältnisse unerheblich sind.9

Das Zugangsrecht steht unter der Prämisse, die Interessen des Werkstückbesitzers möglichst nicht zu beeinträchtigen. So hat der Urheber z.B. weder das Recht, zu einer beliebigen Tages- und Nachtzeit den Zugang zum Werk zu fordern, noch das Recht, potentiell substanzgefährdende Vervielfältigungsarten zu nutzen.10 Insofern überwiegt das Interesse des Besitzers an der Unversehrtheit seines Werkstücks die Interessen des Urhebers.11

Das Zugangsrecht beschränkt sich recht streng auf den Zugang zum Werk: Einerseits besteht grundsätzlich keine Herausgabepflicht des Besitzers. Ist sie für die Vervielfältigung unerlässlich, kann eine vorübergehende Überlassung des Werkstücks zur Erfüllung der Herausgabepflicht im Einzelfall aber angezeigt sein.12 Andererseits ist der Besitzer nicht dazu verpflichtet, den konkreten Standort des Werkstücks zu kennen, noch dazu Auskunft zu geben.

Keine Erhaltungspflicht

Inhaber von Werkstücken sind grundsätzlich nicht zu deren Erhaltung verpflichtet, wobei eine solche Verpflichtung, neben vertraglichen Abreden, auch im Denkmalschutzrecht begründet liegen kann. Gleichwohl ist der Urheber prinzipiell nicht vor Vernichtung des Werks geschützt, 13 obwohl er grundsätzlich keine Änderungen am Werk zu dulden hat.14

Beispiel: Optisches Messverfahren
Die Vervielfältigung von Skulpturen kann – je nach eingesetztem Verfahren – allfällige Beschädigungen hervorrufen. Droht eine Beschädigung des Werkstücks, kann sein Besitzer auf den Einsatz eines schonenden Verfahrens bestehen.15 Soll beispielsweise eine Plastik vervielfältigt werden, so bietet sich ein dreidimensionales optisches Messverfahren an, um eventuelle Schäden durch Kunstguss zu vermeiden.
Quelle: youtube.com/Osmin3D

Fußnoten

  1. Vgl. Toms in Kucsko/Handig, urheber.recht² (2017) § 22 Rz 1.
  2. Toms in Kucsko/Handig, urheber.recht² (2017) § 22 Rz 16.
  3. Vgl § 83 Abs 1 und 2 UrhG.
  4. Toms in Kucsko/Handig, urheber.recht² (2017) § 22 Rz 10.
  5. Vgl. auch § 35 UrhG.
  6. Ciresa in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 (2017) § 22 Rz 2.
  7. Zur Schutzdauer siehe Wann endet der Urheberschutz?
  8. Ciresa in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 (2017) § 22 Rz 3 f.
  9. Vgl. Walter, Österreichisches Urheberrecht I (2008) Rz 943; OGH 21.12.2004, 4 Ob 197/04 f – Schräger Pfahl – MR 2005,189 (Walter) = ecolex 2005, 376 (Thiele).
  10. Vgl. Toms in Kucsko/Handig, urheber.recht² (2017) § 22 Rz 11 f.
  11. OGH 21.12.2004, 4 Ob 197/04 f – Schräger Pfahl – SZ 2004/186 = MR 2005,189 (Walter) = RdW 2005,295 = ÖBI-LS 2005/246.
  12. Vgl. Toms in Kucsko/Handig, urheber.recht² (2017) § 22 Rz 13.
  13. Vgl. Toms in Kucsko/Handig, urheber.recht² (2017) § 22 Rz 16.
  14. Siehe zum Werkschutz Wie werden die ideellen Interessen des Urhebers geschützt?
  15. Vgl. OGH 21.12.2004, 4 Ob 197/04 f – Schräger Pfahl – SZ 2004/186 = MR 2005,189 (Walter) = RdW 2005,295 = ÖBI-LS 2005/246.