Gilt das Urheberrecht auch im Internet?

Manfred Büchele, Lars Kerbler

 

Ja, das Urheberrecht gilt auch im Internet.

Urheberrecht im digitalen Zeitalter

Für das Urheberrecht war (und ist) das Internet die wohl größte Herausforderung der letzten Jahrzehnte. Das Urheberrechtsgesetz („UrhG“) wurde im Zuge neuer technischer Entwicklungen angepasst und erweitert, um urheber- und leistungsschutzrechtliche Sachverhalte mit Internetbezug sinnvoll zu lösen.

Damit gilt: Auch wenn Werke auf digitalen Trägern vorliegen, und urheberrechtlich relevante Handlungen im Internet gesetzt werden, ist das UrhG anwendbar.

Werke auf digitalen Trägern

Dass Werke digital1 gespeichert werden ändert nichts an deren urheberrechtlicher Bewertung. Daher sind auch Werke, die in der „Cloud“ vorliegen, ohne Einschränkungen geschützt.

Digitale Kopien

Das Vervielfältigungsrecht umfasst auch digitale (Werk-)Kopien. Ob und wie ein Werk auf digitalen Trägern vervielfältigt werden darf, entscheidet damit der Urheber (oder durch ihn berechtigte Personen).

Anbieten urheberrechtlich geschützter Werke im Internet

Für das Anbieten im Internet ist das sog Zurverfügungstellungsrecht das maßgebliche Verwertungsrecht2. Dieses Recht gewährt dem Urheber die Entscheidung darüber, ob und wie sein Werk öffentlich zur Verfügung gestellt werden darf. Öffentlich zur Verfügung gestellt ist ein Werk dann, wenn es für Nutzer interaktiv3 abrufbar ist.

Hyperlinks, Inline-Linking, Frames

Links auf bereits im Internet frei zugängliche Werke zu setzen und solche Inhalte einzubetten4 ist vom Zurverfügungstellungsrecht nicht umfasst, weshalb dazu keine Einwilligung des Berechtigten notwendig ist.5 Insbesondere technische Schutzmaßnahmen dürfen dabei allerdings, wie auch vorgeschaltete Werbung,6 nicht umgangen werden. Außerdem muss die Entscheidung über die Abrufbarkeit des Werks beim Berechtigten bleiben – wird der ursprüngliche Inhalt gelöscht, so darf auch die verlinkte oder eingebettete Version nicht mehr abrufbar sein.

Beispiel
Der Betreiber einer Webseite bindet ein frei zugängliches Filmwerk von YouTube in seine Seite ein, ohne dass offensichtlich erkennbar wäre, dass es tatsächlich nicht von seinem Server stammt („Inline-Linking“). Der Filmhersteller, der den Film selbst auf YouTube hochgeladen hat, wird dadurch nicht in seinem Zurverfügungstellungsrecht beeinträchtigt. Er kann nämlich, z.B. durch Löschen des Films von YouTube, über die Abrufbarkeit des Films entscheiden.

Automatische Zwischenspeicherung

Das Abrufen von Werken aus dem Internet über Web-Browser oder andere Applikationen führt jedenfalls zu einer Zwischenspeicherung7 dieser Inhalte, insbesondere auf dem Gerät des Benutzers. Auch diese temporäre Kopie ist eine Vervielfältigung im Sinne des UrhG, und damit grundsätzlich dem Urheber vorbehalten.

Das UrhG gestattet solche „flüchtigen“ oder „begleitenden“ Kopien jedoch unter bestimmten Bedingungen auch ohne die Zustimmung des Urhebers. Bei einer Zwischenspeicherung auf dem Gerät des Benutzers ist insbesondere zu beachten, dass die „automatische“ Kopie der rechtmäßigen Nutzung des Werks dient, andernfalls ist bereits diese Kopie unrechtmäßig.

Beispiel
In seiner Freizeit sieht sich ein Hotelier den Stream des Tatorts über die ORF TVThek an. Die dabei kurzfristig im Arbeitsspeicher seines Geräts hinterlegte Kopie des Filmwerks ist rechtmäßig. Führt der Hotelier denselben Stream in der Lobby seines Hotels öffentlich auf, verstößt schon die flüchtige Kopie in seinem Zwischenspeicher gegen das Vervielfältigungsrecht. Den Verstoß begeht hierbei der Hotelier – die Rechtmäßigkeit des Streaming-Angebots an sich wird nicht beeinträchtigt.

Streaming-Angebote

Webseiten, die bspw. Filme oder Musik entgeltlich zum Streaming anbieten8, erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Die Nutzung dieser Portale ist urheberrechtlich unproblematisch, da (zahlende) Benutzer davon ausgehen können, dass diese kommerziellen Anbieter auch tatsächlich zum Anbieten der Inhalte berechtigt sind.

Selbst bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit des Angebots, z.B. beim Streaming eines erst kürzlich veröffentlichten Kinofilms über die Seite movie4k.to im privaten Rahmen, muss der Benutzer (noch) keine straf- oder zivilrechtlichen Folgen erwarten. Erstellt er vom selben Kinofilm allerdings eine permanente Kopie – z.B. im Zuge eines Downloads – so greift er in das Vervielfältigungsrecht des Urhebers ein, und kann dafür auch belangt werden.

Fußnoten

  1. Auf Festplatten, Flash-Speicher, DVDs, Blu-Ray-Discs etc.
  2. Siehe Welche Möglichkeiten bestehen, um ein Werk wirtschaftlich zu nutzen?
  3. Zugänglichkeit für Werkkonsumenten „von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl“, vgl. § 18a UrhG.
  4. „Framing“, „Inline-Linking“.
  5. Vgl. EuGH 21.10.2014, C-348/13 – Best Water International ­– jusIT 2014/100, 215 (Staudegger) = ZIR 2015, 88 (Artmann) = ZTR 2015, 47 (Streicher) = RdW 2014/753, 689 = ecolex 2014, 1115 = MR-Int 2014, 120 = SWK 2014, 1429 = ZIR-Slg 2015/21, 37; EuGH 13.02.2014, C-466/12 – Svensson/Retriever Sverige/Göteborgs-Posten – jusIT 2014/23, 50 (Janisch) = ÖBl 2014/33, 147 (Handig) = ZTR 2014, 39 (Bauer) = MR 2014, 27 (Walter) = ecolex 2014/141, 355 (Büchele) = RdW 2014/140, 113 = ecolex 2014, 393 = wbl 2014/89, 272 = ZIR 2014, 154 = ZIR-Slg 2014/51, 118 = ZIR-Slg 2014/70, 201.
  6. OGH 23.2.2016, 4 Ob 249/15v – Preroll-Werbung – ÖBl 2016/34, 142 (Plasser).
  7. Z.B. HTTP-Caching, Buffering. Jedenfalls aber das Verweilen der Inhalte im Arbeitsspeicher, während sie betrachtet werden. Ebenso werden die Inhalte bei der Vermittlung im Internet auf unterschiedlichsten Geräten kurzzeitig zwischengespeichert.
  8. Beispielsweise Netflix, Amazon Prime, Spotify, Apple Music etc.