Dürfen Universitäten Lehrveranstaltungen aufzeichnen und übertragen?

Manfred Büchele, Lars Kerbler

 

Universitäten haben – wie auch Privatpersonen – grundsätzlich nicht das Recht, Lehrveranstaltungen audiovisuell festzuhalten, zu vervielfältigen und öffentlich zu verwerten.

Das ergibt sich in erster Linie aus den Rechten der Vortragenden: Die Lehrveranstaltungsinhalte sind zum einen regelmäßig als Werke, die Vortragsleistungen als Darbietungen geschützt. Zum anderen bestehen persönlichkeitsrechtliche Schranken: Das gesprochene Wort1 sowie das Personenbildnis2 der Vortragenden sind grundsätzlich vor öffentlicher Zugänglichmachung geschützt. Im Übrigen werden durch die Aufzeichnung von Lehrveranstaltungen personenbezogene Daten verarbeitet und Bildaufnahmen3 angefertigt, für die auch das Datenschutzrecht ein Zustimmungserfordernis4 vorsieht.

Neben den Rechten der Vortragenden sind die Rechte der Lehrveranstaltungsteilnehmerinnen und -teilnehmer zu beachten, die durch eine Aufnahme ebenfalls beeinträchtigt werden können: Fragen, Einwürfe und andere Beiträge werden zwar nur in Ausnahmefällen Werkschutz genießen, bei Erkennbarkeit von Stimme und Bildnis verhindern jedoch die entsprechenden Persönlichkeitsrechte eine Aufnahme der Teilnehmer.

Tragen technische Maßnahmen Sorge dafür, dass weder Bildnis, Stimme noch personenbezogene Daten der Lehrveranstaltungsteilnehmer wahrnehmbar gemacht oder verarbeitet werden, so wird nicht in die Rechte des Publikums eingegriffen.

Dienstvertragliche Einräumung von Nutzungsrechten

Möchte die Universität eine Lehrveranstaltung festhalten, so hat sie die Einwilligung der Vortragenden zur Nutzung des Sprachwerks und etwaiger damit verbundener Werke (Präsentationsfolien, Skizzen auf der Tafel) einzuholen. Eine dahingehende Vertragsklausel kann für Universitätsbedienstete etwa im Dienstvertrag vorgesehen oder gesondert vereinbart werden, da ein zwingendes Veröffentlichungsrecht für wissenschaftliche und künstlerische Werke gesetzlich5 vorgesehen ist.

Darüber hinaus kann der Dienstvertrag die Einräumung von Verwertungsrechten für die leistungsschutzrechtlich geschützte Darbietung der Vortragenden umfassen: Explizit sollte sich die Universität jedenfalls ein Vervielfältigungs-, Sendungs- und Zurverfügungstellungsrecht einräumen lassen, um weitere Angebote wie Download oder Streaming des Mitschnitts abzudecken.

Schlüssige Einräumung von Nutzungsrechten

Die Beteiligten können der Verwertung ihres Vortrags auch schlüssig zustimmen, sofern ihr Verhalten keinen Zweifel daran lässt, dass sie tatsächlich in die Nutzung ihrer Leistungen einwilligen wollen. Das ist für Vortragende durchaus denkbar – u.a. dann, wenn sie die entsprechenden Vorgänge in Kursräumen (z.B. angekündigte Aufzeichnung  durch Videokameras) überblicken können und ihnen nicht widersprechen.

Beispiel
Unternimmt eine Fakultät einen technischen Probelauf, im Zuge dessen Live-Streams einer Vorlesungsreihe angeboten werden, so können die Vortragenden ihre Zustimmung auch schlüssig erteilen, indem sie die Vorlesungen in Kenntnis aller Umstände widerspruchslos abhalten. Nutzungen abseits der Live-Streams sind gesondert zu beurteilen.

Die Einwilligung des Publikums gestaltet sich noch schwieriger: Denkbar wären allenfalls Opt-In oder Opt-Out-Regelungen bei der Anmeldung zur Lehrveranstaltung (mit geschlossenem Teilnehmerkreis) oder am Anfang jeder Lehrveranstaltungseinheit. Zur Wahrung der Rechte von Lehrveranstaltungsteilnehmerinnen und -teilnehmern sollten deshalb jedenfalls technische Maßnahmen zur optischen und akustischen Unkenntlichmachung dieser Personen ergriffen werden.

Gesetzliche Gestattung der Nutzung von Lehrveranstaltungen

Einzelne Darbietungen innerhalb der Vorlesungseinheiten dürfen für Zwecke des Unterrichts und der Wissenschaft unter Angabe der Quelle frei genutzt werden, wenn die Nutzung keinem kommerziellen Zweck dient.6 Außerdem darf die Universität die von ihr veranstalteten Darbietungen in einem anderen Raum desselben Gebäudes, in dem sie stattfinden, nutzen. Letzteres umfasst sowohl die Aufzeichnung als auch deren unmittelbare Wiedergabe.7

Da mit der Nutzung von Lehrveranstaltungen seitens der Universität zumeist auch die Verwertung von Werken einhergeht, hängt die Zulässigkeit der Nutzung im Ergebnis von der Einräumung der korrespondierenden urheberrechtlichen Nutzungsrechte ab. Diese sind nämlich von der freien Nutzung der Darbietungen nicht mitumfasst.

Fußnoten

  1. Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 (2017) § 16 Rz 21.
  2. Siehe Dürfen Personenbildnisse ohne Zustimmung der Abgebildeten veröffentlicht werden?
  3. Siehe zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von Bildaufnahmen § 12 Datenschutzgesetz („DSG“).
  4. Vgl. Art 6 Abs 1 VO (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung) sowie
  5. Vgl. § 106 Abs 1 Universitätsgesetz 2002.
  6. Albrecht in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 71 Rz 21.
  7. § 71 Abs 4 UrhG.