Welche Tätigkeiten üben Verwertungsgesellschaften aus?

Manfred Büchele, Lars Kerbler, Hans Strasser

 

Verwertungsgesellschaften sind ein Bindeglied zwischen Urhebern und den Nutzern geschützter Werke, indem sie die Rechte der Urheber in kollektiver Weise wahrnehmen. Zu diesem Zweck bestehen unterschiedliche Verwertungsgesellschaften1, die jeweils für bestimmte Werkarten und -nutzungen zuständig sind. 2

Für viele Rechteinhaber wäre die selbständige und gleichzeitig lückenlose Wahrnehmung ihrer Rechte unmöglich. Das sieht man am besten bei den Urhebern populärer Musikwerke, die für jede öffentliche Wiedergabe – etwa in Bars, Diskotheken oder Geschäftslokalen – entweder vorab selbst eine Nutzungsbewilligung3 erteilen oder nachträglich jede Verletzung ihrer Rechte selbst verfolgen4 müssten. Dasselbe gilt auch für die Durchsetzung der mit wissenschaftlichen Werken verbundenen Rechte.

Wahrnehmungsverträge

Rechteinhaber können Verwertungsgesellschaften mit der treuhändigen Wahrnehmung ihrer Rechte betrauen, sind dazu jedoch grundsätzlich nicht gezwungen. Durch sogenannte Wahrnehmungsverträge – zu deren Abschluss Verwertungsgesellschaften bei Interesse des Rechteinhabers verpflichtet sind5 – erteilen die Rechteinhaber der Verwertungsgesellschaft Werknutzungsrechte6, welche den Verwertungsgesellschaften die Einräumung von Nutzungsbewilligungen gegenüber Dritten ermöglichen. In der Regel umfassen Wahrnehmungsverträge den gesamten bestehenden und zukünftigen Werkbestand des Urhebers.7

Die Werknutzungsbewilligungen werden von den Verwertungsgesellschaften an die Werknutzer gegen ein angemessenes Entgelt vergeben. Vom eingehobenen Entgelt ziehen die Verwertungsgesellschaften die aus der Einhebung, Erfassung, Dokumentation und Verteilung entstanden Verwaltungskosten ab und verteilen den Rest an die Bezugsberechtigten.8

Der Wahrnehmungsvertrag ermöglicht den Verwertungsgesellschaften auch die Wahrung der Rechte ihrer Mitglieder, da sie ansonsten beispielsweise nicht zur selbständigen Verfolgung und Durchsetzung von Urheberrechtsverletzungen berechtigt wären.9

Verwertungsgesellschaftenpflichtige Ansprüche

Um einen Ausgleich für die sogenannten freien Werknutzungen10 zu schaffen, sieht das Urheberrechtsgesetz bestimmte Vergütungsansprüche vor, deren Wahrnehmung exklusiv den Verwertungsgesellschaften vorbehalten ist, und damit nicht durch den Urheber selbst geltend gemacht werden können. Solche Vergütungsansprüche sind beispielsweise

  • die Verleihvergütung (Bibliothekstantieme; siehe dazu weiter unten),
  • der Vergütungsanspruch von Filmurhebern gegen den Filmhersteller bei Kabelweitersendung,
  • die Reprographie- und Speichermedienvergütung (siehe dazu weiter unten),
  • die Vergütung für die Werknutzung zugunsten von Menschen mit Behinderung,
  • Vergütungen für den nicht-kommerziellen Schul-, Unterrichts- und Kirchengebrauch,
  • die Vergütung für das Bildzitat in Schulbüchern,
  • die Vergütung für die Nutzung von Bild- und Schallträgern in Bibliotheken
  • und die Vergütung für die öffentliche Wiedergabe von Filmwerken im Unterricht und in Beherbergungsbetrieben.11

Reprographie- und Speichermedienvergütung

Die Herstellung von Vervielfältigungen zum eigenen und privaten Gebrauch,12 die nicht von der Zustimmung des Rechteinhabers abhängig sind, benachteiligen den Urheber wirtschaftlich, da sie den Absatz von Originalwerken reduzieren. Um einen entsprechenden Ausgleich zu schaffen, sieht die gesetzliche Reprographie- und Speichermedienvergütung besondere Vergütungsansprüche für die Rechteinhaber vor, die ausschließlich von den Verwertungsgesellschaften eingehoben werden.13

Anknüpfungspunkt für die Einhebung der Abgabe ist jedoch nicht die Vervielfältigung als solche: Die Speichermedienabgabe ist von demjenigen zu entrichten, der ein Speichermedium als erstes im Inland in Verkehr bringt.14 Speichermedien sind unter anderem Speicherchips und -karten, interne und externe Festplatten und Blu-Ray-Disks, die zur Erzeugung von Vervielfältigungen zum eigenen und privaten Gebrauch geeignet sind.

Die Hälfte der so eingehobenen Ansprüche wird direkt an die Bezugsberechtigen ausbezahlt, die andere Hälfte fließt an sogenannte Soziale und Kulturelle Einrichtungen („SKE“). Diese haben den gesetzlichen Auftrag, die kulturellen Interessen der Bezugsberechtigten zu fördern und in sozialen Notlagen Zuschüsse an diese zu leisten. Die Leistungen der SKE entschädigen Rechteinhaber somit mittelbar.15

Davon zu unterscheiden ist der Anspruch auf Reprographievergütung. Dieser entsteht, wenn von einem Werk seiner Art nach zu erwarten ist, dass es mit Hilfe reprographischer oder ähnlicher Verfahren vervielfältigt wird.16 Bei der Reprographie handelt es sich um lichttechnische Reproduktionsverfahren, also um Scannen, Kopieren, Plotten und Ausdrucken. Der Reprographie ähnliche Verfahren sind alle, bei denen Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Trägermaterial hergestellt werden.17

Die Vergütung wird einerseits durch die Belastung von Vervielfältigungsgeräten – die sogenannte Gerätevergütung18 – und andererseits durch die Inanspruchnahme von Betreibern solcher Geräte – die Betreibervergütung – erhoben.

Beispiel – Speichermedienvergütung

In Fotoapparaten fest verbaute Speichermedien lösen ebenso wenig einen Vergütungsanspruch aus wie etwa in Spülmaschinen oder Waschmaschinen integrierte Speichermedien, da mit ihnen grundsätzlich keine Vervielfältigungen zum eigenen und privaten Gebrauch erstellt werden.19 Speichermedien, die hingegen in Mobiltelefonen oder MP3-Playern verbaut sind, lassen einen Ausgleichsanspruch zu Gunsten der Rechteinhaber entstehen, da durch die damit üblicherweise erzeugten Kopien ein nicht bloß geringfügiger Nachteil für den Urheber entsteht.20
Quelle: Johannes Plenio/unsplash.com
Beispiel – Reprographievergütung
Die für die Einhebung der Reprographievergütung zuständige Verwertungsgesellschaft Literar Mechana kann keine Gerätevergütung für Personal Computer einfordern, da dieser Vergütungsanspruch nur für Geräte besteht, die Vervielfältigungen mit Hilfe reprographischer oder der Reprographie ähnlicher Verfahren erstellen. Dies ist bei einem Personal Computer nicht der Fall, da dieser allenfalls digitale Kopien – und somit keine Kopien auf Papier oder einem ähnlichen Trägermaterial – herstellt. Erst mit Hilfe eines Druckers – der jedoch als solcher bereits der Gerätevergütung unterliegt – können Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Trägermaterial erzeugt werden.21

Die deutsche Verwertungsgesellschaft VG Wort entschädigt darüber hinaus Urheber von online zur Verfügung gestellten Texten, indem sie die Zahl der Abrufe mit Hilfe sogenannter Zählmarken festhält und daraus einen entsprechenden Ausschüttungsbetrag berechnet.22

Bibliothekstantieme

Wurde ein Werkstück innerhalb des EWR mit der Einwilligung des Berechtigten durch Eigentumsübertragung in Verkehr gebracht, kann dieser das Verleihen des Werkstücks nicht mehr unterbinden.23 Das Urheberrechtsgesetz gewährt ihm jedoch einen Anspruch auf angemessene Vergütung, die sogenannte Bibliothekstantieme, welche nur von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden kann. In Österreich wird die Bibliothekstantieme für alle Verwertungsgesellschaften durch die Literar Mechana eingehoben.

Ein Werk gilt dann als „verliehen“, wenn es einem Dritten durch eine der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung zum zeitlich beschränkten Gebrauch überlassen wird und kein Erwerbszweck vorliegt.24 Wird für die Ausleihe ein Entgelt gefordert, werden dadurch noch keine Erwerbszwecke verfolgt, solange die Einkünfte lediglich der Deckung der Verwaltungskosten dienen.25

Beispiel – Bibliotheken

Auch die Bibliotheken von Schulen, Universitäten, Klöstern, Kirchen und Gerichten haben Bibliothekstantiemen zu entrichten, obwohl diese oft nur einer begrenzten Öffentlichkeit zugänglich sind.26
Quelle: Tobias Fischer/unsplash.com

Verteilung der Vergütungsansprüche

Die Verwertungsgesellschaften müssen Verteilungsregeln aufstellen, die eine willkürliche Ausschüttung ausschließen. Diese können auf den Webseiten der jeweiligen Verwertungsgesellschaften abgerufen werden. In den Verteilungsregeln kann die Qualität von Werken berücksichtigt werden, indem etwa kulturell hochwertige Werke höher als andere und Originalwerke höher als Bearbeitungen bewertet werden.27 Von den eingezogenen Ansprüchen können jedoch nur jene Rechteinhaber profitieren, die ihre Rechte durch einen Wahrnehmungsvertrag übertragen haben.28

Beispiel
Ohne einen Wahrnehmungsvertrag mit der Literar Mechana abgeschlossen zu haben, hat die Gesamtrechtsnachfolgerin von Friedensreich Hundertwasser keinen Anspruch auf Auszahlung der Bibliothekstantieme für dessen Sprachwerke, da diese nur für Bezugsberechtigte – also Rechteinhaber, die mit der Literar Mechana einen Wahrnehmungsvertrag abgeschlossen haben – die Bibliothekstantieme einhebt und in Folge auch ausschütten kann.29

Die Verteilung und die Ausschüttung haben spätestens innerhalb von neun Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres zu erfolgen, in denen die Ansprüche eingehoben wurden.30 Des Weiteren müssen Verwertungsgesellschaften ihren Bezugsberechtigten mindestens einmal jährlich Rechnung legen, damit diese die Korrektheit der Auszahlungen überprüfen können.31

Fußnoten

  1. Ein Überblick über die unterschiedlichen Verwertungsgesellschaften und deren jeweilige Aufgabengebiete lässt sich der Webseite der Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften entnehmen, abrufbar unter https://www.justiz.gv.at/web2013/aufsichtsbehoerde/aufsichtsbehoerde-fuer-verwertungsgesellschaften/verwertungsgesellschaften-und-unabhaengige-verwertungseinrichtungen~2c94848b5af5744b015bf26a27f71b97.de.html (zuletzt abgerufen am 14.11.2022).
  2. Büchele, Urheberrecht (2014), 52 f.
  3. Siehe Kann ich mein Urheberrecht übertragen?
  4. Siehe Welche Rechtsfolgen sieht das Urheberrecht vor?
  5. Zum Kontrahierungszwang der Verwertungsgesellschaften siehe § 23 Abs 1 VerwGesG 2016.
  6. Siehe Kann ich mein Urheberrecht übertragen?
  7. Büchele in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 24 Rz 62.
  8. Siehe dazu beispielsweise Abschnitt I.13. der Verteilungsbestimmungen der Literar-Mechana Wahrnehmungsgesellschaft für Urheberrechte GmbH, abrufbar unter https://literar.at/docs/default-source/downloads/verteilungsbestimmungen-g%C3%BCltig-ab-1-1-2019.pdf?sfvrsn=6c65ae5_52 (zuletzt abgerufen am 14.11.2022).
  9. Büchele, Urheberrecht (2014), 53.
  10. Siehe Können geschützte Werke ohne Zustimmung des Berechtigten genutzt werden?
  11. Siehe § 16a Abs 2, § 38 Abs 1a, § 42b Abs 5, § 45 Abs 3, § 51 Abs 2, § 54 Abs 2, § 56b Abs 2, § 56c Abs 2, § 56d Abs 2 UrhG.
  12. Siehe Können geschützte Werke ohne Zustimmung des Berechtigten genutzt werden?
  13. Büchele in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 (2017) § 42b Rz 1.
  14. Zemann in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 42b Rz 35.
  15. OGH 21.02.2017, 4 Ob 63/16w, MR 2017, 66 (Walter).
  16. Siehe § 42b UrhG.
  17. Büchele in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 (2017) § 42b Rz 31.
  18. Die aktuellen Tarife für die Gerätevergütung finden sich im Tarifblatt Gerätevergütung 2018 der Literar-Mechana Wahrnehmungsgesellschaft für Urheberrechte GmbH, abrufbar unter https://www.literar.at/docs/default-source/downloads/tarifblatt-ger%C3%A4teverg%C3%BCtung-2018.pdf?sfvrsn=4 (14.11.2022).
  19. Büchele in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 (2017) § 42b Rz 15.
  20. OGH 22.04.2015, 4 Ob 226/14k, ecolex 2015/341, 796 (Thompson) = MR 2015, 158 (Walter).
  21. OGH 24.02.2009, 4 Ob 225/08d, ÖBl 2009/50, 263 (Büchele) = MR 2009, 316 (Walter).
  22. Siehe https://www.vgwort.de/?id=129 (14.11.2022).
  23. Zur Erschöpfung des Verbreitungsrechts siehe Welche Möglichkeiten bestehen, um ein Werk wirtschaftlich zu nutzen?
  24. Siehe § 16a Abs 2 und 3 UrhG.
  25. Handig in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 16a UrhG Rz 33.
  26. Handig in Kucsko/Handig, urheber.recht2 (2017) § 16a UrhG Rz 36.
  27. Siehe § 34 Abs 1 VerwGesG 2016.
  28. Fischer, Die „Sozialen und Kulturellen Einrichtungen“ der Verwertungsgesellschaften und die Privatkopiervergütung, MR-Int 2016, 9.
  29. OGH 25.04.2004, 4 Ob 107/04w, MR 2005, 30.
  30. Siehe § 34 Abs 3 VerwGesG 2016.
  31. Siehe § 41 VerwGesG 2016.