Welche Zitate sind zulässig?

Manfred Büchele, Lars Kerbler

 

Das Urheberrechtsgesetz („UrhG“) ermöglicht Zitate unterschiedlicher Werkarten je nach Zweck, Art und Umfang des Zitats oder des aufnehmenden Werks. Im Zuge der Urheberrechts-Novelle 2015 wurde das Zitatrecht maßgeblich umgestaltet.

Das Zitatrecht schränkt die Verwertungsrechte des Urhebers in bestimmten Fällen ein. Da sehr unterschiedliche Werkarten betroffen sein können, beschränkt sich das Recht, auf fremde Werke zurückgreifen und diese im Rahmen des eigenen Inhalts anführen („zitieren“) zu dürfen, nicht auf einzelne Verwertungsmöglichkeiten, sondern kann den gesamten Katalog der Verwertungsrechte abdecken.

Neben der Grundregel, die das Zitieren veröffentlichter Werke im jeweils erforderlichen Umfang erlaubt, unterscheidet das UrhG zwischen

  • Großzitaten, die sogar das Zitieren ganzer Werke gestatten, und
  • Kleinzitaten, die das Zitieren einzelner Stellen von Werken ermöglichen.

Das Zitat muss jedenfalls einem besonderen Zweck („Zitatzweck“) dienen und Belegfunktion erfüllen.

Für Zitate ist eine Quellenangabe nötig, die Titel und Urheberbezeichnung des zitierten Werkes deutlich angibt. Darüber hinaus dürfen Zitate nicht die wirtschaftliche Verwertung des zitierten Werks durch seinen Urheber beschränken.

Zitatzweck

Das Zitat rechtfertigt sich durch seinen besonderen Zweck, beispielsweise kann das Zitat zur Erläuterung oder als Beispiel dienen, eine vergleichende Auseinandersetzung ermöglichen, Teil einer wissenschaftlichen Sammlung sein, 1 oder sonst belehrend oder klarstellend wirken.2

Flexibilität des Zitatrechts

Das Zitat ist in einem größeren Umfang gerechtfertigt, wenn das aufnehmende Werk besondere Qualifikationsmerkmale aufweist. Damit ist das Zitatrecht in einem gewissen Umfang beweglich: Je wichtiger sein Zweck, desto umfangreicher darf das Zitat sein.3

Beispiel
Wissenschaftliche Werke dürfen einzelne Werke in ihrer Gesamtheit als Zitat aufnehmen.4 Zitate der Trivialliteratur sind darauf beschränkt, einzelne Stellen anderer Werke zu zitieren.

Davon abgesehen können Zitate größeren Umfangs dann erlaubt sein, wenn sie das einzige Mittel sind, um vom Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen.5

Zitate veröffentlichter Werke in besonderen Fällen

Veröffentlichte Werke dürfen insbesondere in folgenden Fällen im durch den Zweck gerechtfertigten Umfang zitiert werden (beispielhafte Aufzählung):

  • Aufnahme von Werken der bildenden Kunst in einen wissenschaftlichen oder belehrenden Vortrag zur Erläuterung des Inhalts, und die damit einhergehende Vorführung und Vervielfältigung, nicht aber die Verbreitung6 in Form von Handouts für das Publikum;
  • Anführen einzelner Stellen veröffentlichter Sprachwerke in selbstständigen neuen Werken;
  • Anführen einzelner Stellen veröffentlichter Tonkunstwerke in literarischen Arbeiten (u.a. Notationen).

Zitate erschienener Werke

Erschienene Werke7 dürfen in einem weiteren Umfang zitiert werden als veröffentlichte Werke. Sie sind auf ihrem Weg zur Öffentlichkeit – mit Zustimmung des Urhebers – nämlich weiter fortgeschritten als bloß veröffentlichte Werke. Das UrhG nennt insbesondere die folgenden Zitate:

  • Das wissenschaftliche Großzitat: Einzelne Werke dürfen in Ihrer Gesamtheit in ein wissenschaftliches Werk aufgenommen werden. Letzteres muss dabei die Hauptsache bilden – der Schwerpunkt der aufnehmenden Arbeit muss auf der eigenen geistigen Leistung des Zitierenden liegen.8 Werke der bildenden Künste sowie wissenschaftliche oder belehrende 2- und 3-dimensionale bildliche Darstellungen dürfen allerdings nur zur Erläuterung ihres Inhalts aufgenommen werden.
  • Ohne das Kriterium der Wissenschaftlichkeit dürfen darüber hinaus einzelne Stellen erschienener Werke in selbstständigen neuen Werken zitiert werden.
Beispiel
In einer Dissertation über einen bekannten Historiker und Publizisten darf eine größere Zahl an Zitaten seiner Werke aufgenommen werden, solange die Leistung des Dissertanten inhaltlicher Schwerpunkt der Dissertation bleibt.

Aufnehmende Werke

Die zitierende Arbeit – also jene, in die das Zitat aufgenommen wird – muss je nach Konstellation über Werkqualität9 oder nur über selbständige Schutzfähigkeit verfügen.10

Quellenangabe und Erkennbarkeit als Zitat

Um als zulässige freie Werknutzung anerkannt zu werden, muss ein Zitat jedenfalls als solches erkennbar sein. Das Zitat hat grundsätzlich den Titel des zitierten Werkes einschließlich des Namens des Urhebers11 deutlich anzuführen.

Die zitierten Stellen eines Sprachwerks sind dabei so genau anzugeben, dass sie im Original leicht aufgefunden werden können. Entstammt ein zitiertes Sprachwerk einer Sammlung, so ist auch diese mitanzuführen, der Titel des Werks kann dann entfallen.12

Fußnoten

  1. Walter, Österreichisches Urheberrecht I (2008) Rz 1134.
  2. Büchele, Urheberrecht (2014) 64.
  3. Siehe Welche Folgen hat die Bekanntmachung eines Werks?
  4. Populärwissenschaftliche Werke und „einfache“ Fach- und Sachbücher dürfen das nicht ohne Weiteres, sie sind im Einzelfall zu betrachten.
  5. Auch in der Abwägung zur freien Meinungsäußerung darf das Zitat nicht den wirtschaftlichen Interessen des Urhebers zuwiderlaufen, vgl. OGH 11.08.2005, 4 Ob 146/05g – Smiths Freunde – ecolex 2006/245, 587 (Schumacher) = MR 2006, 88 (Walter) = RdW 2006/21, 23 = RZ 2006, 68.
  6. Siehe Welche Möglichkeiten bestehen, um ein Werk wirtschaftlich zu nutzen?
  7. Siehe Welche Folgen hat die Bekanntmachung eines Werks?
  8. OGH 31.01.1995, 4 Ob 1/95 – Friedrich Heer II – MR 1995, 179 (Walter) = ÖJZ EvBl 1995/102 = ecolex 1995, 498 = SZ 68/26 = ÖBl 1996, 99 = ARD 4686/20/95.
  9. Siehe Was ist urheberrechtlich geschützt?
  10. RIS-Justiz RS0076679, OGH 31.01.1995, 4 Ob 1/95 – Friedrich Heer II – MR 1995, 179 (Walter) = ÖJZ EvBl 1995/102 = ecolex 1995, 498 = SZ 68/26 = ÖBl 1996, 99 = ARD 4686/20/95.
  11. Vgl auch Art 5 Abs 3 RL 2001/29/EG („Info-RL“), ABl L 2001/167, 10.
  12. Vgl § 57 Abs 2 UrhG.